Dreigestirn zu sein, ist eine Ehre, aber mit rund 400 Terminen während der Session auch Stress. Was hat Sie motiviert, das trotzdem auf sich zu nehmen?
Bauer Michael: Das es ist das höchste Ehrenamt, das der Karneval zu geben hat, und wenn man die Chance dazu hat, dann greift man zu. Als der Ruf nach einem Dreigestirn[1] aus den Reihen der StattGarde immer stärker wurde, haben wir drei uns mit dem Gedanken befasst und schließlich unseren Hut in den Ring geworfen.
Prinz René: Ja, das ist acht Wochen lang ein Rund-um-die-Uhr-Job. Aber den geht man mit viel Freude an. Es fliegen einem die Herzen zu, das Adrenalin steigt hoch und schafft so viel Energie, dass man da gut durchkommt. Zudem kennen wir den Stress ja schon von der StattGarde, die in jeder Session mit ihrer Bordkapelle und Tanzgarde auch sehr viele Auftritte hat.
Die acht Wochen der Session leben Sie in Ihrer »Hofburg« im »Dorint«-Hotel. René und Hendrik, können Ihre Partner Sie bis zum Aschermittwoch nur noch auf den Bühnen und im Rosenmontagszug sehen, oder dürfen die auch mal ins »Dorint« kommen?
Prinz René: Die dürfen jederzeit ins »Dorint« kommen und auch übernachten. Sie unterstützen uns vollständig. Man darf nicht vergessen, dass die privaten Dinge wie Haus und Hund nur noch auf einer statt auf zwei Schultern liegen. Das ist für unsere Partner eine enorme Belastung, während wir ja in den acht Wochen voll umsorgt werden.
Was bedeutet es für die Gay-Community in Köln und darüber hinaus, dass mit der StattGarde ein schwuler Verein das Dreigestirn stellt?
Prinz René: Egal ob Frau, Mann, Klein, Groß, Alt, Jung, die StattGarde ist ein großer Mix, auch wenn der schwule Anteil sicher der größte ist. Damit stellt sie die bunte Vielfalt des Kölner Karnevals und unserer Stadt Köln dar.
Jungfrau Marlis: Ob da jetzt ein queeres Dreigestirn ist oder nicht, ist für Köln nicht mehr unbedingt der Rede wert. Aber aufgrund der aktuellen politischen Strömungen ist es natürlich ein Thema geworden. Darum glaube ich, dass das auch jetzt gerade für die queere Community ein wichtiges und richtiges Zeichen zum richtigen Zeitpunkt ist.
Sie sind moderne Männer, während der Karneval sehr stark auf tradierte Formen setzt. Was bedeutet Brauchtum für Sie?
Bauer Michael: Wir verkörpern den traditionellen Karneval, aber kommen aus einem relativ modernen Karneval. Die StattGarde steht für beides.
Prinz René: Mit unserer Bordkapelle, dem (rein männlichen) Tanzcorps und dem Shantychor präsentieren wir auf den Bühnen Vielfalt und einen ganz modernen Karneval. Zudem erneuert sich der Karneval ja auch immer wieder. Die StattGarde ist daher eine Bereicherung.
Viele Menschen außerhalb des Rheinlands verbinden Karneval mit Sexismus und Sauforgien. Außerdem halten sie ihn für eine von Männern dominierte Veranstaltung.
Prinz René: Es gibt die eine oder andere Straße in Köln, in der sich das leider so entwickelt hat, und das macht auch Schlagzeilen. Ich wehre mich aber dagegen, den Karneval auf Saufen und Exzesse zu reduzieren. Solche Klischees kommen ein wenig aus der Unwissenheit heraus. Am 11.11. bei der Sessionseröffnung auf dem Heumarkt mit 30 000 Menschen geht es zum Beispiel geordnet und gesittet zu. Die Menschen haben Spaß und Freude. Wir sprechen ja auch Werte wie Vielfalt, Toleranz und Respekt an, und sobald man die erklingen lässt, kommt sofort brausender Applaus. Das heißt, die Leute hören zu. Ein Volltrunkener kann kaum zuhören.
Jungfrau Marlis: Der Karneval hat eine Eventstruktur angenommen wie auch das Oktoberfest, das Hafenfest oder Weinfeste. Da gibt es diejenigen, die solche Feste leben und mit Herzblut verkörpern, während andere solche Events ausnutzen.
Bauer Michael: Leute außerhalb der Region sehen in erster Linie die fünf Tage des Straßenkarnevals. Was sie nicht sehen, sind die Wochen davor mit den vielen Sitzungen und anderen Veranstaltungen. Und was sie vor allem auch nicht sehen, sind alleine hier in Köln die vielen Zehntausend Menschen, die das ganze Jahr in den Vereinen aktiv sind und sich auch für soziale Projekte engagieren.
Prinz René: Der Karneval eint die Menschen.
Jungfrau Marlis: Karneval ist auch Heimat. Wenn Leute mit gleichen Interessen zusammenkommen, egal ob im Verein oder ob sie im Karnevalskostümshop zusammen einkaufen gehen, dann ist das Teil des sozialen Gefüges der Stadt.
Wieso haben Sie sich für den Namen Marlis entschieden?
Jungfrau Marlis: Marlis ist eine Hommage an Marie-Louise Nikuta, die jahrzehntelang die Motto-Lieder des Kölner Karnevals geschrieben hat. Als sich 2003 die Stadtgarde gegründet hatte, hat sie uns an die Hand genommen und uns Tür und Tor zum offiziellen Karneval geöffnet. Damals hat man in der Herrengilde vielleicht noch ein Stück weit über einen Verein wie die StattGarde die Nase gerümpft. Diese Art von Vorurteil hatte Marie-Louise auch als Frau erlebt. Als sie vor etlichen Jahrzehnten im Karneval angefangen hat, waren Frauen so gut wie gar nicht präsent. (Anm. d. Red.: Frauen durften erstmals 1978 im Rosenmontagszug mitgehen.) Man hat auf diese Frau geschaut und gefragt: Was macht die denn im Karneval? »Marlis« ist also die Ehrung einer starken Persönlichkeit, die sowohl uns als StattGarde als auch die Community immer unterstützt hat.
Ukraine, Gaza, Trump und AfD – wir leben in schwierigen Zeiten. Kann man eigentlich in solchen Zeiten noch Karneval feiern?
Prinz René: Gerade in solchen Zeiten ist Karneval um so bedeutender. In Zeiten von gesellschaftlicher Spaltung, Kriegen und zunehmendem Antisemitismus ist es doch sehr wichtig, dass wir mal einen Moment der freien Gedanken schaffen, in dem die Leute feiern können, mal die Sorgen loslassen. Und der Karneval ist auch eine Volksbewegung. Wenn man so viel Positives daraus erzeugt, hoffen wir, dass unsere Ansprache der Werte doch auch nachhaltiger ist und sich vielleicht auch über Köln hinaus überträgt.
Marlis, Sie sind in der Freizeit Präsident eines Dackelclubs und haben natürlich auch Dackel zu Hause. Was finden Sie an Dackeln toll, und was haben Sie mit ihnen gemein?
Jungfrau Marlis: Dackel sind Charakterhunde, liebevolle Wesen, die mich schon ziemlich lange begleiten. Die haben ihren eigenen Kopf und ihren eigenen Willen. Deswegen passen die ganz gut zu meinem Mann und zu mir. Ich denke, ich bin so liebevoll wie ein Dackel, aber manchmal auch so stur.
Prinz René und Bauer Michael: (lachen) Ja, stimmt. Das hast du schön beschrieben.