Fast auf den Tag genau vor 500 Jahren versammelten sich in Memmingen Vertreter oberschwäbischer »Bauernhaufen«, um einen gemeinsamen Forderungskatalog an den Adel zu formulieren. Schon in den Jahrzehnten zuvor hatte es aufgrund sich verschärfender Ausbeutungsverhältnisse immer wieder Aufstände gegeben, die mit großer Brutalität umgehend niedergeschlagen wurden. 1524/1525 jedoch waren die Adelshäuser durch Kriege untereinander abgelenkt und Teile des niederen Klerus hatten sich reformerischen oder sogar sozialrevolutionären Forderungen angeschlossen. Der Ruf der Bauernschaft nach mehr Rechten gegenüber Adel und Klerus mündete in einen Flächenbrand, der ein Gebiet vom Elsass und Südtirol über Schwaben, Franken und Thüringen bis hinauf ins heutige Niedersachsen erfasste.
Der italienische Comic-Zeichner und Maler Giulio Camagni hat aus diesem Stoff für den umtriebigen Wiener Verlag Bahoe Books[1] eine komplexe Graphic Novel gemacht, deren Motive die nächsten Seiten illustrieren. Von einer »Novel«, einem Roman im eigentlichen Sinne, kann dabei keine Rede sein. Der 1973 in Udine geborene Camagni, der in Mailand zeitgenössische Geschichte studiert hat, verzichtet auf einen dramaturgischen Plot oder Hauptfiguren, die den Leser*innen emotionale Identifikation erlauben. Stattdessen setzt er ganz auf den historischen Stoff: Im steten Wechsel zwischen Schauplätzen und Zeitebenen rekonstruiert Camagni Vorbedingungen und Verlauf der Bauernkriege, die er als großen sozialen und proto-republikanischen Aufstand beschreibt. Um die gesellschaftlichen Konfliktlinien zu veranschaulichen, spürt Camagni zahlreichen Einzelbiografien nach. Er skizziert das Leben des Georg Truchsess von Waldburg, der aus dem Kleinadel stammt und als Bluthund zur Niederschlagung des Bauernaufstands eingesetzt wird. Dann folgt er einige Seiten dem Fürsten Ulrich von Württemberg, der als alkoholkranker despotischer Tyrann charakterisiert wird. Er richtet seinen Blick auf die Aufständischen des »armen Konrads«, die mit ihrer Revolte 1514 den Auftakt zu den Bauernkriegen lieferten, und wendet sich dann schnell den Figuren Luther, Müntzer und Zwingli zu, die zwischen 1517 und 1524 die Kirchenspaltung vorantrieben. Auch dieser Aspekt wird allerdings nicht weiter verfolgt. Stattdessen schildert Camagni das Schicksal einer einfachen Frau namens Else, die zwangsverheiratet werden soll und sich der Willkür der Kirchenobrigkeit widersetzt.
Diese Montage-Technik fordert der Leser*in einiges an Konzentration ab. Aber umso weiter man liest, desto besser erschließt sich Camagnis Methode. »1525« erzählt die Geschichte der Bauernkriege in »Plateaus« – in Ebenen, die räumlich und zeitlich getrennt und doch miteinander verschränkt sind. Dass Camagni hierbei auf die Arbeiten verschiedener Historiker zurückgegriffen hat, verheimlicht er nicht. Seine Graphic Novel ist eine in bewegte Bilder gesetzte historische Untersuchung. Sehr lesenswert!
Giulio Camagni: 1525. Der Aufstand. Bahoe Books, 114 S., geb., 28 €.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189439.bauernkriege-gegen-den-adel-fuer-die-allmende.html