Nur im Lokalteil der Zeitungen[1] erfährt man davon, dass zurzeit im Staat New York ein wilder Streik von Gefängniswärtern stattfindet: Über 8000 Vollzugsbeamte haben seit dem 17. Februar die Arbeit niedergelegt. Die Auswirkungen des illegalen (»wildcat«) Streiks auf die Gefangenen sind dramatisch: Nachdem Lockdowns ausgerufen wurden, blieben Gefangene über Tage in ihre Zellen eingesperrt, konnten nicht duschen und bekamen nichts zu essen. Familienbesuche konnten nicht empfangen, Gerichtstermine nicht wahrgenommen werden, auf medizinische Notfälle wurde nicht reagiert – all das, ohne dass die Gefangenen wussten, was gerade los ist. Als direkte Folge dieses Streiks sind in den ersten zwei Wochen bereits sieben Menschen gestorben: aufgrund fehlender medizinischer Versorgung, Suizid oder durch direkte Gewalt von Wärtern.
Laut der »New York Times« haben sich über 90 Prozent der Gefängniswärter diesem wilden Streik angeschlossen. Sie erheben die Forderung nach einer »Verbesserung der Arbeitsbedingungen«. Hinter diesem Euphemismus verbirgt sich Widerstand gegen ein 2021 verabschiedetes Gesetz, das den Einsatz von »solitary confinement«, also Einzelhaft, auf Ausnahmen begrenzen soll – laut den Streikenden eine inakzeptable Einschränkung ihrer Arbeitsplatzsicherheit. Der reale Anlass für diesen Widerstand ist aber ein anderer: Zwei Wochen vor Beginn des Streiks hatte der Staat New York Ermittlungen gegen sechs Gefängniswärter eingeleitet, die den Gefangenen Robert Brooks, einen 43-jährigen schwarzen Mann, brutal zu Tode geprügelt hatten. Die Aufnahmen der Bodycams, auf denen auch zu sehen ist, wie die Wärter versucht haben, Brooks‘ leblosen Körper aus dem Fenster zu werfen, sind öffentlich zugänglich.[2] Der Grund des größten Arbeitskampfs von Vollzugsbediensteten seit 40 Jahren besteht darin, dass die inoffizielle Immunität, die sie für ihren Alltags-Sadismus normalerweise genießen, ausnahmsweise brüchig geworden war.
Dass Staatsbedienstete mehr für Straflosigkeit der eigenen Gewaltanwendung als für materielle Verbesserungen wie etwa Lohnerhöhungen eintreten, ist keineswegs ungewöhnlich. Wie mir Craig Gilmore, der schon seit langer Zeit in der Anti-Gefängnis-Bewegung aktiv ist, bei einem Mittagessen erklärt, ist dies auch der Grund, warum die meisten Cops für Trump gestimmt haben. Obwohl die demokratische Partei seit Jahren mehr und mehr Geld in Polizei und Gefängnisse steckt, bleibt diese Liebe einseitig: Der Sieg der MAGA-Bewegung stellte für die meisten Polizist:innen und Wärter:innen eine beispiellose Empowerment-Erfahrung dar. Sie können sich hundertprozentig darauf verlassen, dass jede Dehumanisierung die Rückendeckung des Präsidenten und seiner Bewegung finden wird.
Die Agenten eines repressiven Staatsapparates sind die Speerspitze des Trump-Faschismus. Dass sich der Ausnahmezustand mit den Praktiken der angeblichen Gesetzeshüter:innen durchsetzt, ist die Vorwegnahme einer breiteren Entwicklung. Bereits jetzt sind amerikanischen Gefängnissen 2 Millionen Menschen eingesperrt. Diese Einsperrung wird sich allein durch die von Trump geplante Expansion der Abschiebehafthaft massiv ausweiten. Aber auch im Alltag sind die Vertreter:innen des Gewaltmonopols überall präsent: In New York etwa stehen an jeder einzelnen Metro-Station mehrere Cops. Es sind daher längst nicht mehr nur die Strafgefangenen, die vor entfesselten Vertreter:innen der Staatsgewalt Angst haben müssen.
Auf meinem Nachhauseweg sehe ich, wie vier weiße Polizisten einen schwarzen Mann kontrollieren. Als ich stehenbleibe, um die Szene zu beobachten, tritt einer von ihnen direkt vor mich, seine Hand am Taser, und schaut mich herausfordernd an. Ich halte seinem Blick nicht stand.