nd-aktuell.de / 06.03.2025 / Wissen / Seite 1

Warum Wale die Orientierung verlieren

Sonnenwinde, Unterwasserlärm und Algenblüten könnten zu Strandungen führen

Robert Lenz
Massenstrandung von Grindwalen in Tasmanien im September 2022
Massenstrandung von Grindwalen in Tasmanien im September 2022

Mehr als 150 Kleine Schwertwale schwammen im Februar an einem abgelegenen Strand Tasmaniens auf Grund. Dass Wale an den Küsten der australischen Insel stranden, kommt immer wieder mal vor. Aber das Drama der Kleinen Schwertwale war die erste Massenstrandung der Art seit rund 50 Jahren in Tasmanien. Keiner der Meeressäuger überlebte die Katastrophe. Viele verendeten, mindestens 65 mussten getötet werden.

Versuche, die bis zu 1300 Kilo schweren Tiere wieder ins Meer zu bringen, waren an den schwierigen Wetterverhältnissen gescheitert. »Die Meeresbedingungen hatten es den Tieren nicht erlaubt, die Brandung zu überwinden. Die Tiere strandeten immer wieder«, sagt Shelley Graham vom tasmanischen Meeresschutzprogramm. Deshalb sei eine Tötung der Wale unausweichlich gewesen. Der Meeresbiologe Kris Carlyon vom tasmanischen Amt für Meeresschutz betonte: »Je länger diese Tiere gestrandet sind, desto länger leiden sie. Alle alternativen Optionen waren erfolglos. Euthanasie ist immer der letzte Ausweg.«

Der Kleine Schwertwal ist eine Art der Delfine[1], die Schulen von durchschnittlich zehn bis 50 Tieren bildet und in den tieferen Bereichen der subtropischen und tropischen Ozeane beheimatet ist. Die auch als Unechte Schwertwale bekannten Meeresbewohner ernähren sich wie andere Delfine vor allem von größeren Fischen und Kopffüßern.

»Die Tiere strandeten immer wieder.«

Shelley Graham 
Tasmanisches Meeresschutzprogramm

Wissenschaftlich ist die Art Pseudorca crassidens nur wenig erforscht und Sichtungen sind vergleichsweise selten. Die International Union for Conservation of Nature stuft den Kleinen Schwertwal als »bedroht« ein. Strandungen, teilweise auch Massenstrandungen mit mehreren Hundert Tieren, kommen vor, sind jedoch weniger häufig als bei anderen Walarten.

Wale können sich einzeln oder auch in großen Gruppen im flachen Wasser verschwimmen. »Massenstrandungen sind typisch für Arten, die in Gruppen mit einer Matriarchin (einem ›Leittier‹) leben und durch enge soziale Bindungen organisiert sind«, heißt es auf der Webseite der weltweiten Walschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation (WDC).

Auslöser solcher Katastrophen können mannigfaltig sein, wie zum Beispiel Veränderungen der Strömungen im Meer. Auch könnten laut WDC extreme Ereignisse wie eine Explosion, ein Chemieunfall oder auch Krankheiten zu Massenstrandungen von Walen oder Delfinen führen. Weiter kann auch ein maritimer »Fachkräftemangel« eine Rolle spielen. Die fehlende Erfahrung einzelner Tiere oder junger Leittiere, so die WDC, könne Wale stranden lassen. Eine weitere Gefahr stelle der Unterwasserlärm[2] durch Militärmanöver, seismische Untersuchungen oder anhaltende Geräusche durch Schiffsverkehr dar. Diese könnten das empfindliche Gehör der Wale schädigen und zu Orientierungsproblemen führen.

Weltweit erforschen Wissenschaftler weitere potenzielle Ursachen für Walstrandungen. In einem noch bis März 2027 laufenden gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchen das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die Universität Lüttich und das Norwegische Polarinstitut mögliche Auswirkungen von Schadstoffbelastungen und Unterwasserlärm auf das Hörvermögen von Walen in der Arktis. In der Projektbeschreibung heißt es: »Mit dem Abschmelzen des Eises in der Arktis[3] werden neue Gebiete für Schifffahrtsrouten, seismische Ölexploration, Rohstoffgewinnung für neue Technologien (zum Beispiel Seltene Erden) und andere anthropogene Aktivitäten zugänglich. All diese Aktivitäten können sich auf Wale und Delfine auswirken.«

Eine im November 2024 im Fachmagazin »Frontiers in Marine Science« veröffentlichte Studie des US-amerikanischen Wissenschaftlers Greg Silber legt nahe, dass Toxine aus explosionsartigen Algenblüten die Wale desorientieren und damit tödlich sein könnten.

Eine weitere Gefahr kommt aus dem All. Man vermutet, dass Wale ähnlich wie Zugvögel, Fledermäuse und andere Tiere einen Magnetsinn besitzen, mit dem sie das Magnetfeld der Erde zur Orientierung nutzen. Kommt es durch Sonnenwinde zu Störungen des Magnetfelds, könnten Wale die falsche Richtung einschlagen. »Das ist zwar noch nicht erwiesen«, so die Experten des WDC, »es gibt aber bei verschiedenen Strandungen Hinweise auf diesen Zusammenhang.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183994.verhaltensbiologie-die-sprachen-der-tiere.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184201.meeresoekologie-den-austern-wird-es-zu-laut.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189188.klimawandel-arktiseis-schrumpft-mitten-im-winter.html