nd-aktuell.de / 06.03.2025 / Politik / Seite 1

Nach der Wahl: Sorgenvoller Blick nach links

In der Neuen Rechten wird der Wahlerfolg der Linken ausführlich diskutiert

Sebastian Weiermann
Heidi Reichinnek, ist bei den Rechten besonders verhasst.
Heidi Reichinnek, ist bei den Rechten besonders verhasst.

Zwölf Prozent trennen die AfD und die Linke nach der aktuellen Bundestagswahl.[1] Die extrem rechte Partei stellt deutlich mehr als doppelt so viele Abgeordnete wie die Linke. Trotzdem diskutieren AfD-Politiker*innen und Führungsfiguren der Neuen Rechten[2] den Erfolg der Linken intensiv in den sozialen Medien, Podcasts und Texten. Der Sprung der Linken vom »Sterbebett in den Partymodus«, wie es der neu rechte Aktivist Benedikt Kaiser formuliert, schreckt die Rechten auf. Außerdem sehen sich manche in ihrer Kritik an der unzureichenden sozialpolitischen Positionierung der AfD bestätigt.

Volkmar Wölk[3] forscht und publiziert seit Jahrzehnten zur Neuen Rechten. Für ihn ist klar, welchen Fehler die AfD und ihr Vorfeld angeblich begangen hätten: »Die wenigen Strategen bei der AfD bemerken jetzt, dass diese Partei vor der Bundestagswahl in Bezug auf Die Linke den gleichen Anfängerfehler begangen hat wie diese 2014 in Bezug auf die AfD: Sie hat geglaubt, die andere Seite einfach ignorieren zu können. Das missglückte – natürlich – in beiden Fällen.«

Thema in Debatten der extremen Rechten waren in den Monaten zuvor, wenn überhaupt, Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis. Das BSW wurde, etwa in Bezug auf die Wahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern im vergangenen Herbst, als echte Bedrohung angesehen. Was dessen Wahlerfolge ja auch bestätigten. Der Gang des BSW in Koalitionen mit SPD und CDU wurde einhellig als Fehler angesehen. Die Wagenknecht-Truppe verspiele so ihr Potenzial als Protestpartei. Eine Einschätzung, die sich im Bund als richtig herausstellte.

Auf den Text von Benedikt Kaiser angesprochen, antwortet Rechtsextremismus-Forscher Volkmar Wölk gegenüber »nd«, dass jener die Linke der AfD nun als Vorbild präsentiere: »Die AfD müsse nun ebenfalls verstärkte Bemühungen um ›Kaderbildung‹, ›politische Bildung und strategischen Fokus‹, anstreben, um ein weiteres Anwachsen des Gegners zu verhindern. Kaiser warnt, ›dass jede Menge organisierte Antifaschisten‹ jetzt in den Bundestag eingezogen seien«, fasst Wölk dessen Forderungen zusammen. Eine andere Gefahr für die AfD, die Kaiser aus Volkmar Wölks Sicht berechtigterweise sieht: »dass die Bastionen der AfD bei den Jungwählern und im Osten durch Die Linke bedroht sein könnten«.

Volkmar Wölk verweist außerdem auf eine Kritik, die der Identitären-Kader Daniel Fiß, der für die AfD im Mecklenburger Landtag arbeitet, in einem Podcast mit dem österreichischen Medienaktivisten Michael Scharfmüller geäußert hat. Der AfD fehle es an »großstädtischen, weiblichen und akademischen Basismilieus«, also genau jenen Milieus, in denen die Linke so stark ist.

»Zu erwarten steht, dass als Folge dieser Analyse Die Linke ins Zentrum der Angriffe der AfD rücken wird und dabei die Grünen als Hauptfeind ablösen könnte. Das Problem dabei für sie: Das Programm der AfD selbst verhindert, dass sie Zugriff auf diese Schichten und Milieus bekommen könnte«, so die Prognose von Wölk.

Programmatisch könnte sich die AfD allerdings ändern. Benedikt Kaiser, der aus der Neonazi-Szene stammt[4] und zuletzt für den ausscheidenden AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl arbeitete, propagiert, die AfD müsse einen »solidarisch-patriotischen« Kurs fahren. Jüngst schlug er vor, die Linke nachzuahmen und die Wohnraumfrage mit der Asylfrage zu kombinieren.

Dass zumindest die linke Zivilgesellschaft stärker in den Fokus der AfD und ihres Umfelds rückt, machten jüngst die Aktivisten des Vereins »Ein Prozent« klar. In einem Podcast griffen sie die 551 Fragen umfassende Kleine Anfrage der CDU zu zivilgesellschaftlichen Organisationen auf und machten deutlich, welche Chance aus ihrer Sicht darin liege. Die AfD müsse weitere Anfragen stellen und alle Zuhörer*innen könnten etwas tun. Man könne beim Finanzamt und in Kommunalparlamenten auch als Bürger*in nach der Gemeinnützigkeit und Förderung von »Antifa-Vereinen« fragen. Politisch sieht man gerade ein Fenster, in dem solche Fragen Gehör finden könnten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189292.alternative-fuer-deutschland-afd-gewonnen-und-trotzdem-unzufrieden.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183671.das-beste-aus-dem-nd-denken-der-neuen-rechten-ornament-und-theoriekitsch.html
  3. https://bsky.app/profile/volkmarwoelk.bsky.social
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1145924.neonazis-gefestigte-rechte-strukturen-in-chemnitz.html