Als Elisabeth R. zu ihren letzten Worten vor dem Urteil anhob, war es noch einmal wie so oft in den vergangenen fast zwei Jahren[1]: Belehrend, von oben herab, unverbesserlich. Ihr Vorhaben, die Bundesrepublik abzuschaffen und das deutsche Reich wiederzubeleben, sei »legitim und rechtsgültig«, dozierte die 77-Jährige. Den Prozess geißelte sie als »Boykott« ihrer Pläne. Nur die antisemitischen Tiraden, die sie sonst bis an den Rand der Holocaust-Leugnung zu treiben pflegt, verkniff sich die promovierte Theologin ausnahmsweise.
Seit Mai 2023 wurde vor dem Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen Koblenz gegen Elisabeth R. und vier ihrer Mitstreiter der Reichsbürger-Vereinigung »Vereinte Patrioten«[2] verhandelt. Der Vorwurf: Terrorismus und Hochverrat. Am Donnerstag wurden die Möchtegern-Umstürzler*innen nach 106 Verhandlungstagen zu Haftstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt. »Wir gehen davon aus, dass sich die Angeklagten zusammentaten, um das System der Bundesrepublik zu stürzen«, sagte die Senatsvorsitzende Anne Kerber.
Die »Vereinten Patrioten« wollten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen, mit Waffengewalt aus einem Fernsehstudio. Sie wollten mit Sprengstoffanschlägen für einen mehrwöchigen Stromausfall im ganzen Land sorgen. »Bei alledem wurden auch Tote in Kauf genommen«, sagte die Richterin. Und sie suchten 277 Männer deutscher Abstammung für eine konstituierende Versammlung, die die Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 wieder in Kraft setzen sollte.
Als neues Staatsoberhaupt war der greise Neonazi und notorische Holocaust-Leugner Rigolf Hennig vorgesehen. Er starb allerdings noch während der Planungen. Um sich Rückendeckung für ihre Rückkehr zum Reich zu holen, sollte zudem eine Delegation über die Ostsee schippern und bei Russlands Präsident Wladimir Putin vorsprechen. Und ja, die Angeklagten hätten das alles ernst gemeint, betonte Kerber.
»Wir gehen davon aus, dass sich die Angeklagten zusammentaten, um das System der Bundesrepublik zu stürzen.«
Anne Kerber Senatsvorsitzende am Oberlandesgericht Koblenz
Elisabeth R., die die Urteilsbegründung mehrfach mit wütenden Zwischenrufen unterbrach, wurde als Chefideologin und treibende Kraft zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die höchste Strafe kassierte mit acht Jahren jedoch der Verkäufer und Kleinstadt-Comedian Michael H. (46), der als einziger Angeklagter bereits vorbestraft ist. Er hatte das Ende des Prozesses noch einmal um mehrere Wochen verzögert, weil er in einem verzweifelten Last-Minute-Manöver geltend gemacht hatte, an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu leiden. Vergeblich: Ein psychiatrischer Gutachter befand ihn für voll schuldfähig. Das Gericht sah in ihm nun sogar denjenigen, »bei dem die Fäden zusammenliefen«, wie Kerber sagte.
Sven B. (57), Bilanzbuchhalter, rechter Wutbürger und Ex-NVA-Offizier, hatte schon früh ein umfassendes Geständnis abgelegt und im Prozess immer wieder bereitwillig Auskunft gegeben – nicht aus Reue, sondern aus Stolz. »Ich würde wieder so handeln«, erklärte er trotzig. Ihn schickte das Gericht für fünf Jahre und neun Monate hinter Gitter.
Der Frührentner Thomas O. (58), ebenfalls ein Mann mit NVA-Vergangenheit, hatte dagegen lange geschwiegen. Als er dann doch redete, bekannte er sich dazu, wie besessen gewesen zu sein von seinem Hass auf den Staat, räumte ein, sich insbesondere um die geplanten Anschläge auf die Stromversorgung und um die Beschaffung von Schusswaffen bemüht zu haben, und sprach von einem »großen Fehler«. Wohl nicht zuletzt, weil in einem der zahlreichen Parallelverfahren[3], die bundesweit gegen weitere mutmaßliche Mitglieder der »Vereinten Patrioten« angestrengt wurden, auch seine Tochter vor Gericht steht. Er muss für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis.
»Ich würde wieder so handeln.«
Sven B. Verurteilter Mitstreiter der Reichsbürger-Vereinigung »Vereinte Patrioten«
Am glimpflichsten kam mit zwei Jahren und zehn Monaten Haft der Bahnarbeiter Thomas K. (53) davon. Ihm bescheinigte das Gericht zwar eine »deutliche Tendenz zum Rechtsextremismus« und den Besitz etlicher Waffen. Bei den »Vereinten Patrioten« hatte er aber nur eine untergeordnete Rolle gespielt.
Mit den verhängten Strafen blieb das Gericht leicht unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft. Die Verteidiger hatten um Milde gebeten oder sogar Freisprüche gefordert. Sie verwiesen vor allem darauf, wie hanebüchen, unausgegoren und damit ungefährlich die Pläne gewesen seien – zumal die Polizei auch noch einen verdeckten Ermittler in die Gruppe eingeschleust hatte. Ohne ihn, argumentierten sie, wären die Angeklagten nicht einmal in die Nähe von Waffen gekommen. Das Gericht wollte das nicht gelten lassen: Trotz der Absurdität der Pläne, sagte Anne Kerber, habe es sich »nicht um eine bloße Kasperletruppe« gehandelt.