Zuerst die schlechte Nachricht: Kit McConnell ist nicht zu den noch bis Sonntag laufenden Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Trondheim[1] gereist. Der mächtige Sportdirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sollte sich bei den Titelkämpfen in Norwegen eigentlich mit der Führungsriege des Internationalen Skiverbandes Fis und Vertretern aus der Nordischen Kombination treffen. Thema: Die gefährdete Olympia-Zukunft der Königsdisziplin des nordischen Skisports, die McConnell wegen der »mangelnden Attraktivität der Sportart« gnadenlos kritisiert hatte.
Wie die »Herren der Ringe« die aktuelle Situation mit Blick auf die Winterspiele 2030 einschätzen, kann wegen McConnells Fernbleiben nur vermutet werden. Dennoch verbreitete der für die Nordische Kombination[2] zuständige Fis-Direktor Lasse Ottesen Zuversicht. Einen »Plan B« für den Fall, dass die seit den ersten Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix bei Olympia vertretene Sportart aus dem Programm fliegen sollte, gäbe es nicht. Man sei sich »sehr sicher, dass das IOC die Kombinierinnen nicht nur für die Spiele 2030 sondern auch darüber hinaus« ins Olympia-Programm aufnehmen werde.
Es gibt aber eben auch die andere Möglichkeit: Den bei den Spielen 2026 in Mailand und Cortina nicht vertretenen Kombiniererinnen wird ihre olympische Premiere auch 2030 verweigert – und die Männer fliegen gleich mit aus dem Mega-Event. Sandra Spitz, Sport- und Eventdirektorin der Fis[3], bestätigt genau diese beiden Szenarien: »Entweder die Kombiniererinnen kommen bei Olympia 2030 rein oder die Nordische Kombination ist ganz draußen.« Das gebiete schon die Geschlechtergerechtigkeit, eine der sechs Kriterien des IOC, die am Ende über das Wohl oder Wehe der Nordischen Kombination entscheiden werden.
In zwei anderen wichtigen Bereichen sieht Spitz die Winterzweikämpfer gut für die zukunftsweisende IOC-Entscheidung aufgestellt. Einmal in Sachen Kosten: Die Kombination nutzt die Wettkampfstätten, die für Skilanglauf und Skispringen ohnehin vorhanden sind. Zum anderen wolle Gastgeber Frankreich die Nordische Kombination schon wegen der großen Tradition der Sportart im Land 2030 im olympischen Programm sehen. Der Willen der Ausrichter wird für das IOC immer wichtiger: Das zeigt die Aufnahme von Lacrosse oder Flag Football für die Sommerspiele 2028 in Los Angeles.
Ob das allerdings ausreicht, um andere wichtige IOC-Kriterien wie die Attraktivität für die Jugend auszugleichen? Trendsportarten wie Slopestyle oder Halfpipe sind für neue Generationen zweifellos spannender als die Nordische Kombination. »Da macht man sich gerade als junge Sportlerin große Sorgen, denn das ist meine Leidenschaft, die ich auch als Beruf ausüben will«, sagt die 19 Jahre alte Vizeweltmeisterin Nathalie Armbruster zur Gesamt-Gemengelage.
Die Fis versucht allerdings wirklich alles, die in den vergangenen Jahren oft tristen Kombinierer-Wettbewerbe mit den immer gleichen Siegern aus Norwegen, Deutschland oder Österreich spannender zu machen. Am vergangenen Sonnabend feierte das spannende Compact-Format mit geringeren Zeitabständen vor 50 000 begeisterten Fans in Trondheim seine Premiere. »Die Kulisse und das enge Rennen waren Werbung für den Sport – wer das langweilig findet, dem ist auch nicht mehr zu helfen«, meinte Bronzegewinner Vinzenz Geiger, der zuvor schon Silber im Mixed-Wettbewerb gewonnen hatte. An diesem Freitag führte er die deutsche Staffel als Schlussläufer vor Österreich zu WM-Gold. Überragender Athlet der Titelkämpfe war freilich wieder Seriensieger Jarl Magnus Riiber[4], der mit dem norwegischen Quartett Bronze gewann.
In der kommenden Weltcup-Saison ist die Einführung von Sprint-Wettbewerben in der Kombination nach dem Vorbild des Langlaufs geplant, auch ein Teamsprint wird getestet. Zudem verweist der Weltverband darauf, dass die Zahl der teilnehmenden Nationen bei den Frauen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei. Im Massenstart der WM von Trondheim kämpften Sportlerinnen aus drei Kontinenten um die Medaillen und die Japanerin Yuna Kasai stand am Ende ganz oben – all das will das IOC sehen.
Auf der Minusseite steht allerdings der Weltcup-Kalender – mit nur acht Wochenenden für die Männer in diesem Winter. Weniger waren es zuletzt vor 14 Jahren. Bei den Frauen sieht es noch düsterer aus: Sie haben nur sechs. Bei der WM dürfen sie keinen eigenen Teamwettbewerb austragen, weil es zu wenige Nationen mit vier leistungsfähigen Kombiniererinnen gibt. Und auch die für die Geldmaschine Olympia wichtigen TV-Quoten sind außerhalb Deutschlands nicht berauschend.
Es bleibt also spannend bis zur IOC-Entscheidung. »Wir müssen bis 31. März all unsere Argumente und Daten vortragen, dann gibt es einen Dialog mit dem IOC. Die Entscheidungen, welche Disziplinen bei Olympia 2030 stehen werden, fällt dann in der zweiten Jahreshälfte«, verrät Spitz. Falls die Nordische Kombination dann ein Ja vom IOC bekommen sollte, fällt 2026 die Entscheidung über das genaue Programm vier Jahre später in den französischen Alpen. Wahrscheinlich ist dann, dass je zwei Einzelentscheidungen für Männer und Frauen sowie ein Mixed-Wettbewerb stattfinden. Das würde auch bedeuten, dass die Männer auf ihren bisher olympischen Teamwettbewerb verzichten müssen. »Die Bereitschaft zum Verzicht ist da«, sagt Horst Hüttel, deutscher Sportdirektor für Skispringen und Nordische Kombination: »Wir sitzen schließlich alle in einem Boot.« Fragt sich nur, ob das zu neuen Ufern aufbricht oder wie die Titanic sinkt.