Vor einem Jahr wurde Solingen von einem Brandanschlag erschüttert[1]. Am 25. März brannte ein Haus im Stadtteil Grünewald. Kancho und Katya Zhilova und ihre kleinen Töchter Galia und Emily starben. Hunderte Menschen, die meisten von ihnen stammten wie die Toten aus Bulgarien, demonstrierten wenige Tage nach der Tat für Gerechtigkeit. Ihr Verdacht, das Motiv für den Brandanschlag könne Rassismus sein. Knapp zwei Wochen nach der Tat wurde dann ein Verdächtiger verhaftet.[2] Ein 40-jähriger Mann, der einst im Hinterhaus wohnte. Verhaftet wurde er, nachdem er einen Bekannten nach einem missglückten Drogengeschäft mit einer Machete angriff und schwer verletzte.
Im Januar begann dann vor dem Wuppertaler Landgericht der Prozess gegen den Tatverdächtigen. Im Februar ließ er durch seinen Anwalt erklären, für den Brandanschlag verantwortlich zu sein. Er habe vor der Tat Drogen konsumiert, bei dem Machetenangriff sei er einfach »durchgedreht«. Die Begegnung mit den Opfern vor Gericht habe ihm gezeigt, wie viel Leid er ausgelöst habe. Von einem politischen Motiv war im Prozess lange nicht die Rede. Die Lebensgefährtin des Angeklagten erklärte während ihrer Zeugenaussage, dass dieser nicht rassistisch sei und dass sie die Beziehung beendet hätte, wäre ihr Rassismus aufgefallen.
166 Bilder, die an diesem Montag im Prozess gezeigt wurden, werfen nun allerdings ein anderes Bild auf den Angeklagten. Sie enthalten allerlei Nazi-Propaganda. Ein Hitler-Bild mit dem Schriftzug »Ohne dich ist alles doof!« oder ein »Ho – Ho – Holocaust!« rufender Weihnachtsmann sind nur zwei von zahlreichen unappetitlichen Darstellungen. Ein anderes Thema im Prozess am Montag, ein Chat zwischen dem Tatverdächtigen und seiner Lebensgefährtin. In der Silvesternacht beklagte er sich, wegen der »Kanaken« keinen Parkplatz zu bekommen und hoffte, dass ein »Polen-Böller« unter ihnen »etwas mehr Schaden anrichtet«.
Dass die Datenträger des Tatverdächtigen überhaupt ausgewertet wurden, ist ein Verdienst der Nebenkläger*innen, sie hatten das beantragt. Eine Nebenklageanwältin ist Seda Başay-Yıldız[3]. Gegenüber »nd« sagt sie, dass es »nicht nachvollziehbar« sei, dass die Datenträger nicht selbstständig von den Ermittler*innen ausgewertet wurden. »Obwohl die Motivlage des Angeklagten unklar war, hat man sich wenig bis gar keine Mühe gemacht, um zu ermitteln, ob vielleicht ein politisches Motiv[4] infrage kommt. Es ist beschämend«, so Başay-Yıldız. Der Prozess geht am Freitag weiter. Die Nebenklage wird eine erneute Vernehmung der Lebensgefährtin beantragen, sie hatte den Computer gemeinsam mit dem Angeklagten genutzt. Es soll geklärt werden, von wem die Nazi-Propaganda stammt.