Die Grünen haben am Montag zwar mitgeteilt[1], dass sie dem von Union und SPD geplanten milliardenschweren Verteidigungs- und Infrastrukturpaket[2] in seiner aktuellen Form nicht zustimmen wollen. Allerdings gab es noch am Abend ein Gespräch mit Vertretern der mutmaßlichen künftigen Großen Koalition. An der anderthalbstündigen Unterredung in einem Raum der Grünen nahmen neben deren Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil teil. Sie brachte zwar noch kein Ergebnis, doch die Grünen teilten am Dienstag mit, es seien »zeitnah« weitere Gespräche geplant.
Dröge und Haßelmann hatten zuvor Vorschläge unterbreitet und erklärt, sollten diese von Union und SPD übernommen werden, könnten sie sich vorstellen, am Donnerstag in Beratungen des alten Bundestages über das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen[3] zur Ertüchtigung der Infrastruktur und die Lockerung der Schuldenbremse[4] einzutreten. Für beide Vorhaben sind Grundgesetzänderungen nötig, die nur mit einer Zweidrittelmehrheit durchgesetzt werden können.
Die Grünen wollen den Verteidigungsbegriff auf nachrichtendienstliche Fähigkeiten, die Unterstützung für »völkerrechtswidrig angegriffene Staaten« und den Schutz der Zivilbevölkerung ausweiten.
Eine solche Mehrheit haben Union und SPD im alten Parlament mit den Grünen zusammen. Im neuen wären sie auf die Unterstützung der Linken angewiesen. Dröge erklärte, es wäre zwar richtig, den neuen Bundestag einzuberufen. Wenn das nicht passiere, seien die Grünen aber auch zu »schnelleren Entscheidungen« bereit. Union und SPD wollen das Militär-Infrastruktur-Finanzpaket am Donnerstag in den Bundestag einbringen und bereits am kommenden Dienstag beschließen lassen.
Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner betonte, ihrer Partei gehe es um eine »nachhaltige, um eine wirkliche Reform der Schuldenbremse, die unserem Land nicht nur die Sicherheit ermöglicht, sondern auch eine zukunftsfähige Infrastruktur, eine gute Klimainfrastruktur«. Davon sei in den bisherigen Sondierungsergebnissen von Union und SPD nichts zu erkennen.
Die Grünen wollen außerdem den Verteidigungsbegriff etwa auf nachrichtendienstliche Fähigkeiten, die Unterstützung für »völkerrechtswidrig angegriffene Staaten« und den Schutz der Zivilbevölkerung ausweiten. Dazu wollen sie in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Außerdem fordern sie, dass die Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben nicht so früh ausgesetzt wird wie von den künftigen Koalitionären vorgeschlagen. Union und SPD wollen, dass alle Ausgaben für den Wehretat, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen, von der Vorschrift ausgenommen sein sollen, keine neuen Kredite aufzunehmen. Die Grünen fordern, dies solle erst dann gelten, wenn die Militärausgaben 1,5 Prozent des BIP überschreiten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, lobte dies als »sehr plausiblen Vorschlag«.
Dagegen zeigte sich Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek darüber wie auch über die von den Grünen signalisierte Bereitschaft, die Grundgesetzänderungen im alten Bundestag nun doch mitzutragen, irritiert. »Wenn Verteidigungsausgaben über 1,5 Prozent vom BIP von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen, statt über dem von Union und SPD vorgeschlagenen einem Prozent, bedeutet das noch mehr Druck auf den regulären Haushalt und damit mehr Kürzungsdruck bei Sozialem, Bildung oder Gesundheit«, sagte Reichinnek am Dienstag in Berlin. So werde »der soziale Sprengstoff des Sondierungspapiers noch verstärkt«.
Die Strategie der Grünen sei es anscheinend, »einer zukünftigen Koalition aus Union und SPD pauschal die Handlungsspielräume weiter einzuschränken«, so Reichinnek. Es müsse aber darum gehen, dringend nötige Investitionen in sozialen Wohnungsbau, Krankenhäuser, Schulen zu ermöglichen. »Anstatt hier mehr herauszuhandeln, würde der vorliegende Gesetzentwurf die Möglichkeiten dafür weiter beschneiden«, so Reichinnek. Deshalb gelte es, »mit allen demokratischen Fraktionen im neuen Bundestag die Schuldenbremse abzuschaffen oder mindestens zu reformieren«.
Dass Die Linke dafür zur Verfügung stünde, hatte Reichinnek bereits am Montag signalisiert. Zwar hatte sie betont, man sei gegen »stark erhöhte Verteidigungsausgaben«. Auf Nachfrage deutete sie aber an, dass eine Mitwirkung bei der Reform der Schuldenbremse daran nicht unbedingt scheitern würde.
Am Montag hatte Die Linke beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die geplanten Grundgesetzänderungen im alten Bundestag eingereicht. Die AfD-Fraktion wollte am Dienstag eine Organklage und einen Eilantrag in Karlsruhe einreichen, um die dazu geplanten Sondersitzungen zu verhindern.
Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht fordert, die Sondersitzungen abzusagen. Es sei »inakzeptabel, die Abgeordneten eines alten Parlaments binnen weniger Tage über Hunderte Milliarden – mehr als ein Bundeshaushalt – entscheiden zu lassen, von denen niemand genau weiß, wofür sie eingesetzt werden«, sagte sie AFP. Das BSW war bei der Bundestagswahl sehr knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, sitzt aber bis zur Konstituierung des neuen Parlaments am 25. März weiter im Bundestag. mit Agenturen