nd-aktuell.de / 12.03.2025 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Finanzpläne von Union und SPD: Aber bitte nicht für Rüstung

Der Ökonom Heinz-J. Bontrup über das geplante Sondervermögen und die Lockerung der Schuldenbremse

Interview: Kurt Stenger
Bauarbeiten auf der Bahnstrecke Hamburg-Berlin: Zivile Investitionen des Staates bringen einen Wachstumsschub.
Bauarbeiten auf der Bahnstrecke Hamburg-Berlin: Zivile Investitionen des Staates bringen einen Wachstumsschub.

Union und SPD haben sich auf ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm für die öffentliche Infrastruktur von 500 Milliarden Euro geeinigt, was linke Ökonomen seit vielen Jahren fordern. Was halten Sie von dem Weg über ein Sondervermögen?

Ich bin dagegen, dass die Schuldenbremse umgangen werden soll durch Sonderschulden, die in die Verfassung geschrieben werden sollen. Man sollte die Schuldenbremse nicht nur modifizieren, sondern sie schlichtweg abschaffen. Sie hat in der Vergangenheit großen Schaden angerichtet und zu einer zerrissenen Gesellschaft in Deutschland geführt. Und nicht zuletzt auch zu einem fürchterlichen Rechtsrutsch. Dass man Staatsausgaben kreditfinanzieren muss, vor allen Dingen in der Krise – ja, das wusste schon der große britische Ökonomen John Maynard Keynes. Das ist aber von Neoliberalen in Deutschland über Jahre immer abgelehnt worden.

Offenbar hat man endlich gemerkt, dass man sich mit dieser Schuldenbremse selbst im Weg steht. Wie beurteilen Sie den Inhalt des Sondervermögens?

Ein Investitionsprogramm im Umfang von 500 Milliarden Euro ist schon der richtige Ansatz. Dafür braucht es auch konsumptive Staatsausgaben, wobei dies von radikalen Neoliberalen schon wieder diskreditiert wird. Denken Sie nur an die soziale Abfederung der Energiewende, die weiter vorangetrieben werden muss. Aber die Summe ist zu gering, sie soll ja verteilt werden über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das wären dann nur etwa 50 Milliarden im Jahr für Energie, Klimaschutz, Gesundheit, Rente, Pflege, Bildung, sozialen Wohnungsbau. Das sind ja alles ungelöste Probleme, die man immer hinausgeschoben hat. Hier muss der Staat in die Finanzierung – schuldenbasiert, aber auch steuerfinanziert.

Von einer Steuerfinanzierung ist im Sondierungspapier aber nichts zu lesen.

Man setzt auf ein klassisches Deficit Spending, es bräuchte aber eine zusätzliche Steuerfinanzierung. Bei einem Geldvermögen der privaten Haushalte von rund neun Billionen Euro wäre die Wiedereinführung einer Vermögensteuer dringend notwendig, auch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und der Kapitalertragsteuersätze. Ich würde noch weitergehen, was die Finanzierung anbelangt. Man könnte darüber nachdenken, sukzessive einen Teil der Riesen-Goldbestände der Bundesbank zu verkaufen. Und um das rund zu machen, geht es auch um die europäische Ebene. Die EU will ja den Fiskalpakt lockern, da müsste dann flankierend die Europäische Zentralbank den Leitzins wieder auf null setzen. Wenn durch die Neuverschuldung die Zinsen der Staatsanleihen steigen, würden ja noch mal Reiche und Vermögende profitieren.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat durchgerechnet, dass es mit einem echten 500-Milliarden-Infrastrukturprogramm einen Konjunkturschub von jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geben würde. Rechnen Sie auch mit einem solchen Wumms?

Schon Keynes, der große britische Ökonom, hatte aufgezeigt, dass die multiplikativen Faktoren bei Staatsausgaben genauso hoch sind wie bei privaten Investitionen. Ich zweifle nicht daran, weil das DIW saubere Input-Output-Rechnungen macht. Klar ist aber auch, dass es bei Rüstungsausgaben anders ist: Panzerkäufe des Staates haben nur einen Einmaleffekt für Wachstum und Beschäftigung. Es gibt ein klares ökonomisches Argument für Staatsausgaben für Infrastruktur und Maschinen, aber bitte nicht für Rüstung.

Die geplante Lockerung der Schuldenbremse für Militärausgaben im Umfang von einem Prozent des BIPs wäre, volkswirtschaftlich betrachtet, also ein klassisches Strohfeuer?

Ja, absolut. Rüstungsausgaben sind nicht reproduktiv. Auch Keynes hat sich mehrfach dagegen ausgesprochen, mit Rüstungausgaben die Wirtschaft zu beleben, zumal dies am Ende womöglich im Krieg endet. Wer sich heute bei Rüstungsausgaben auf Keynes beruft, der hat ihn nie gelesen.

Die Rüstungsindustrie ist für die deutsche Volkswirtschaft bisher eher unbedeutend.

In der kurzen Zeit der Abrüstung in den 90er Jahren ist auch die deutsche Rüstungsindustrie massiv abgebaut worden. Sie hat zwar jetzt einen Hype, das sehen wir bei Rheinmetall, aber die Relevanz für die Volkswirtschaft insgesamt oder den industriellen Sektor hält sich nach wie vor in Grenzen.

Würde ein großes Aufrüstungsprogramm dann die wichtigen Zukunftsbranchen an den Rand drängen?

Den Euro kann man immer nur einmal ausgeben, das ist völlig klar. Alles Geld, das jetzt in Rüstung fließt, fehlt für notwendige Transformationen im industriellen Sektor, der massiv in Deutschland leidet. Dabei haben wir ja schon 100 Milliarden Euro Sonderschulden für Rüstung gemacht. Das ist ein politischer Skandal bei einer Armutsquote von etwa 17 Prozent.