Ein übergroßes braunes Ledersofa steht im Globe, einer der kleineren Spielstätten der Schaubühne am Lehniner Platz – als ungefragt vorgebrachter Beleg dafür, dass stilbewusste Akademiker nicht nur über Geschmack, sondern auch über das notwendige Vermögen für Anschaffungen dieser Art verfügen. Und wenn dann das Spiel beginnt, setzen sich die Spielzeugdinosaurier auf dem Boden in Bewegung. Hier leben Kinder, weiß der Zuschauer also. Und ähnlich direkt und unverschnörkelt werden ihm auch die nächsten 120 Minuten allerhand Informationen zugespielt, ohne dass großer interpretatorischer Eifer notwendig würde.
Keine abstrakten Zeichen muss man für den Vorstellungsbesuch lesen lernen, nur den auf der Bühne ausgetragenen Beziehungskonflikten lauschen. In den besten Momenten von Marius von Mayenburgs Stück »Ex«, das am vergangenen Mittwoch zur deutschsprachigen Erstaufführung kam, ist das unterhaltsam bis amüsant, meistens allerdings nur durchschaubar bis banal.
Sibylle (Marie Burchard) ist Ärztin. Alleine macht sie es sich auf dem Sofa bequem, sieht sich auf ihrem Laptop eine Dokumentation über eine berühmte Medizinerin an und genehmigt sich ein Glas Weißwein. Sie ist das, was man beruflich erfolgreich nennen würde. Innerhalb der gegebenen Grenzen, versteht sich. Die Grenzen sind in ihrem Fall ihre beiden Kinder.
Bald schon kommt Daniel (Sebastian Schwarz) nach Hause. Er ist als Architekt tätig, beruflich läuft es bei ihm so gut oder so schlecht wie bei seiner Frau Sibylle. Finanziell darf man bei diesem »Match« von einer gewissen Sorglosigkeit ausgehen.
Zwischen den beiden herrscht eine feindselige Stimmung. Die Beziehung leidet offenkundig unter allmählich verschwundener Zärtlichkeit. Die Kommunikationsmuster sind nicht unbekannt: Jeder versteht den anderen so falsch, wie es die eigene Fantasie gerade noch hergibt. Die beiden Darsteller machen ihre Sache gut. Und von Mayenburg hat mit »Ex« ein temporeiches Kammerspiel verfasst. Aber, fragt man sich unweigerlich, muss man wirklich bis zum Ku’damm reisen, um dabei zu sein, wenn fiktive Charaktere sich höchst eloquent streiten?
Dann aber tritt Franziska (Eva Meckbach) auf. Sie ist die titelgebende Ex von Daniel. Gerade hat sie sich von ihrem Freund getrennt und weiß nicht, wohin mit sich. Da fällt ihr der Mann ein, der sie vor Jahren wegen einer anderen Frau verlassen hat, und just steht sie vor dessen Tür.
Von Mayenburg bleibt bei seinen bissigen Dialogen. Die neue Situation, die erwartbar wenig harmonisch verläuft, beschwört alte Konflikte herauf. Sibylle streitet sich mit Franziska. Daniel streitet sich mit Sibylle. Und Franziska streitet sich mit Daniel. Das Ganze dreht sich also furchtbar schnell im Kreis.
Um das Beziehungsdrama doch noch um eine gesellschaftliche Ebene zu erweitern, wird dem Akademikerhaushalt die Figur der Franziska gegenübergestellt: Sie arbeitet seit jeher in einer Zoohandlung und kann den mehr oder minder hochtrabenden Gesprächen arroganter Bildungsbürger nicht immer ganz folgen.
In »Ex« wird der verächtliche Blick auf die »da unten« humoristisch vorgeführt. Auch Daniel imaginiert sich seine Exfreundin als sexuell verfügbares Dummchen. Die Kritik daran mag gut gemeint sein. Blöd nur, dass Franziska wirklich als emotional überbordende, aber nicht gerade sonderlich reflektierte Figur auftritt, die nach wenigen Minuten über ihr Liebesleben sinniert. Bald wird offenbar, dass dieser Theaterabend keine Volte mehr bereithält. Es bleibt alles überschaubar und brav. An den Selbstbildern im Publikum kratzt »Ex« höchstens sehr vorsichtig.
Vielleicht haben die Spielzeugdinosaurier ja doch noch eine tiefer gehende Bedeutung als die ganz naheliegende? Ein vorzeitlich wirkendes kleinbürgerliches Familienideal wird hier mit einer harmlosen Kritik bedacht, die mindestens genauso alt ist und wirkt.
Nächste Vorstellungen: 18., 19. und 20.3.
www.schaubuehne.de [1]
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189827.schaubuehne-berlin-auftritt-der-dinosaurier.html