Dienstagmittag, vor der CDU-Bundesparteizentrale, mitten in Berlin. Eine Gaspipeline hat leckgeschlagen. Dunkler Rauch tritt aus. Zumindest soll das wohl die Aktion vermitteln, zu der sich etwa ein Dutzend Aktivistinnen von Fridays For Future (FFF)[1] eingefunden haben. Ein Plüsch-Robbenbaby ist mit von der Partie, genau wie kleine Plakate, die zum »Gasaustritt 2035« auffordern.
Im Wahlkampf hatte Merz das Gegenteil angekündigt: schnellstmöglich wolle er 50 neue Gaskraftwerke bauen lassen[2]. »Mit unserer Aktion zeigen wir unmissverständlich, dass keine neuen Gasprojekte mehr genehmigt werden dürfen. Diese Haltung muss sich in den Koalitionsverhandlungen und im Koalitionsvertrag widerspiegeln«, so Frieda Egeling von Fridays For Future Berlin.
Bei der symbolischen Pipeline vor dem Konrad-Adenauer-Haus handelt es sich um nur eine von insgesamt neun Aktionen, die die Fridays im Laufe der Woche organisieren wollen, um Druck auf die Koalitionsverhandlungen auszuüben. Das Thema Gas soll auch am Mittwoch im Niedersächsischen Jever im Vordergrund stehen. Laut FFF wird dort in den nächsten Tagen die Genehmigung für ein Seekabel erwartet, das die umstrittenen Gasbohrungen vor der Nordseeinsel Borkum[3] mit Strom versorgen soll. Seit mehreren Jahren demonstrieren Umweltgruppen gegen dieses Vorhaben.
In Jever will die örtliche FFF-Gruppe deshalb vor dem Parteibüro des niedersächsischen Wirtschaftsministers Olaf Lies (SPD) protestieren. Dieser befürwortet nicht nur die Gasbohrungen in seinem Bundesland[4], sondern leitet gemeinsam mit Andreas Jung (CDU) während der Koalitionsverhandlungen die Arbeitsgruppe »Klima und Energie«. »Im Jahr 2025 darf es keine neuen fossilen Infrastrukturprojekte geben. Olaf Lies hat dies aber in Niedersachsen ganz klar vorangetrieben«, sagt Annael Back von Fridays for Future Berlin gegenüber »nd«. »Leute, die jetzt für das Klima verhandeln, sollten auch in ihren Positionen für das Klima einstehen.« Nele Evers, ebenfalls von FFF, sagt, dass diese Kritik nicht nur auf Lies zutrifft, sondern parteiübergreifend gilt: »Im Ausschuss für Energie und Klima sitzen viele Leute, die für Gas sind und gegen die Energiewende.«
Um sich dafür einzusetzen, dass die Arbeitsgruppe ihrem Namen gerecht wird, rufen die Fridays diesen Freitag auch zu einer Demonstration am Reichstagsufer in Berlin auf. Im Sondierungspapier sei »keine einzige wirklich konkrete Klimaschutzmaßnahme« enthalten, kritisiert die Gruppe. Und die Klimaziele seien nur dann erreichbar, »wenn jetzt massiv in erneuerbare Energien investiert wird und ein Plan für einen Gasausstieg entwickelt wird«.
Auch die 100 Milliarden Euro[5], auf die sich Union, SPD und Grüne geeinigt haben, seien nicht genug, findet Back. »Die Regierung in spe versucht gerade, Regierungsschutz den Grünen zuzuschieben und als Milieuprojekt der Grünen zu framen«, so die Aktivistin. »Klimaschutz ist aber nicht etwas, was man für die Grünen macht – das macht man für uns alle.«
Dass zumindest Teile der verhandelnden Parteien Klimaschutz immer noch nicht ernst genug nehmen, demonstriert auch Markus Söder (CSU). Dieser hat sich erneut dafür starkgemacht, dass sein Parteikollege Günther Felßner Argrarminister werden soll. Felßner ist Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes – einer einflussreichen Lobbyorganisation, der vorgeworfen wird, die Interessen von landwirtschaftlichen Großbetrieben zu vertreten. Felßner behauptet immer wieder, Fleischkonsum sei gut für das Klima. Angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft für etwa acht Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist – und die Tierhaltung davon den größten Anteil ausmacht – nicht nur eine falsche, sondern auch eine gefährliche Behauptung. Die Kampagnenorganisation Campact fordert deshalb, dass die Parteispitzen von SPD und CDU verhindern sollen, dass Felßner Minister wird. Bis Redaktionsschluss unterzeichneten den Appell[6] weit über 300 000 Personen.