Als sie nach Deutschland kam, war da dieses Erschöpfungsgefühl, sagt Nataliia Martynova. »Ich wollte nicht leben, nicht weitergehen«, beschreibt die Ukrainerin das Gefühl, mit dem sie Berlin nach ihrer Flucht 2022 erreichte. Heute habe sie wieder Kraft am Leben, sie blickt nach vorne, träumt davon, dass sie bald als Krankenschwester arbeiten werde. »Ich liebe meinen Beruf«, sagt sie.
Martynova sagt, entscheidenden Anteil daran, dass sie wieder eine Perspektive hat, hat das Projekt Fempoint. Fempoint wird vom Bundesfamilienministerium finanziert und umfasste einen offenen Anlaufpunkt (das Fempoint-Café), ein begleitetes Jobcoaching, Workshops und Unterstützung von Ehrenamtlichen. Ziel von Fempoint ist, die gesellschaftliche Teilhabe von ukrainischen Frauen über die Integration in den Arbeitsmarkt[1] zu erhöhen. Träger ist der Verein Goldnetz, der Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen anbietet.
Nach zweieinhalb Jahren endet das befristete Projekt diesen März. Auf einer kleinen Konferenz zogen am Mittwoch Beteiligte und Begleiter*innen Bilanz. Aufgrund der Ausreiserestriktionen in der Ukraine sind es überwiegend Frauen und Kinder, die aus der Ukraine nach Berlin gekommen sind. Seit 2022[2] haben, wie Projektleiterin Lilly Coenen sagt, 91 Frauen an den Jobcoachings von Fempoint teilgenommen. 3600 Frauen besuchten das Café. Dazu fanden 94 Workshops zu Themen statt, die von den Frauen vorgebracht wurden.
Coenen geht bei der Auswertung auf die Frauen ein, die jahrelang mit dem Jobcoaching von Fempoint begleitet wurden. Wie zuvor von Expert*innen vorhergesagt, hätten die Frauen eine große Expertise mitgebracht. 76 Prozent von ihnen hätten einen Hochschulabschluss, 22 Prozent eine abgeschlossene Ausbildung.
Dass der Prozess der Integration in den Arbeitsmarkt[3] Jahre dauert, läge nicht etwa daran, dass die Frauen langsam und unmotiviert seien. »Im Gegenteil«, sagt Coenen, »die Frauen sind zum Teil unfassbar motiviert. Die Dauer ergibt sich vor allem durch behördliche Prozesse und Wartezeiten.« Dabei würde der Großteil nach zweieinhalb Jahren Fempoint schon sehr gute Deutschkenntnisse vorweisen können. 34 Prozent der Frauen hätten bereits das Sprachniveau B1 erreicht, 33 Prozent B2 und 4,5 Prozent C1.
Vor allem die Anerkennung der Ausbildung verzögere die Aufnahme einer qualifikationsadäquaten Arbeit. Noch immer befänden sich 61,5 Prozent der Frauen im Anerkennungsprozess. Teilweise, wie etwa für Krankenschwestern, seien Nachqualifizierungen notwendig. 37 Prozent der Frauen seien in Arbeit, oft aber noch in Minijobs oder Teilzeit. Viele würden am Ende auch in einer anderen Branche landen, in der sie zuvor noch keine Berufserfahrungen gesammelt hätten.
Als größte Herausforderungen bei der Integration betrachteten die Frauen heute Sprachbarrieren (50 Prozent), bürokratische Prozesse (33,5 Prozent), Arbeitslosigkeit (25,5 Prozent) und die Wohnsituation[4] (25 Prozent). Bei alldem hätte Fempoint zu unterstützen versucht. Dabei habe sich besonders bezahlt gemacht, dass die Angebote auf Russisch und Ukrainisch und von Beraterinnen durchgeführt wurden, die selbst aus dem Ausland kommen. So hätten die Frauen neben anderen in einer ähnlichen Situation auch Vorbilder gefunden.