Die Schule sollte eigentlich ein angstfreier Raum sein. Doch an einer Dortmunder Grundschule fürchten sich Kinder, dass ihnen die Decke im Eingangsbereich auf den Kopf fällt. Der Laubengang wurde kürzlich erst abgestützt, doch nicht alle trauen der Absicherung. Auch die Toiletten sehen grässlich aus. »Überall Kacke, Matsche«, sagt ein Schüler; ein anderer erzählt, er versuche, möglichst nicht aufs Klo zu gehen, und warte so lange, bis er zu Hause sei. Gequält schaut er in die Kamera. Der Bericht der »Tagesschau« am Sonntag hat für Empörung gesorgt[1]. Der Name der Schule wird darin nicht genannt. Wer sich auf die Suche macht, stellt fest: Es handelt sich um keinen Einzelfall. In einer anderen Dortmunder Schule stinkt es. Offenbar gibt es ein Problem mit einem Marder. Im Winter waren die Räume außerdem kalt, und die Kinder saßen mit Jacke und Handschuhen im Unterricht. Schließlich haben die Eltern dafür gesorgt, dass Heizlüfter aufgestellt wurden.
Immer wieder tauchen Berichte über solche eigentlich unhaltbaren Zustände an deutschen Schulen auf. Analysten der staatlichen Förderbank KfW[2] haben im Jahr 2024 berechnet, dass bundesweit 54 Milliarden Euro alleine dafür notwendig wären, um die Gebäude zu sanieren. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani sagte einmal, dass Schulbildung in Deutschland wie ein Auto sei, das auf der Felge fährt. Unrecht hat er mit dem Vergleich wohl nicht.
Die Aufgaben für die nächste Koalition dürften gewaltig sein, um den Schulen, aber ebenso den Hochschulen und Kitas bessere Voraussetzungen zu verschaffen. In ihrem Sondierungspapier haben sich SPD und Unionsparteien wertschätzend über die Bildung geäußert: »Als rohstoffarmes, von Industrie geprägtes, exportorientiertes Land sind wir auf ein leistungsfähiges, innovatives Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungssystem angewiesen«, heißt es darin. Solche hochtrabenden Sätze werden seit Jahren geäußert, trotzdem hat sich die Bildungskrise zugespitzt. Am Ende wird sich auch die kommende Bundesregierung an Taten messen lassen müssen.
Seit dem 13. März verhandeln SPD und CDU/CSU über einen Koalitionsvertrag. »Unsere Aufgabe wird es sein, die Eckpunkte aus dem Sondierungspapier so auszuformulieren, dass sie die Ziele einer möglichen Koalition beschreiben«, erklärt Oliver Kaczmarek das Vorhaben. Er führt für die SPD die Verhandlungen an. Als mögliche Ziele nennt er »die Schaffung gerechter und gleicher Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen« (was sich auch schon die Ampel-Koalition vorgenommen hatte), »die Wiedereinführung der Sprachkitaprogramme[3]« (2023 vom Bund eingestellt), »die Fortsetzung des Startchancen-Programms und seine Ausweitung auf die Kitas« oder die »Einführung einer frühen Berufsorientierung in Schulen«.
Zweifellos sind die Erwartungen mit dem hohen Sondervermögen gestiegen. Maike Finnern als Vorsitzende der Erziehungsgewerkschaft GEW verlangt klare finanzielle Zusagen für die Bildung. Sie spricht von einer Summe von 130 Milliarden Euro, die notwendig sei, um den Investitionsstau wirksam zu bekämpfen. Finnern schlägt gleich ein Bündel von Maßnahmen vor: Die Ganztagsbetreuung[4] in den Grundschulen, für die es ab 2026 einen Rechtsanspruch gibt, müsse verlässlich ausgebaut werden, das Startchancenprogramm[5] für benachteiligte Schulen solle verstetigt und die Digitalisierung endlich konsequent vorangetrieben werden. Sie fordert außerdem ein echtes Kita-Qualitätsgesetz (die bisherigen sind von temporären Finanzierungen geprägt) sowie eine Bafög-Reform und die Schaffung von guten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. All dies sei nur umsetzbar, betont sie, »wenn sich Bund und Länder endlich gemeinsam dem dramatischen Fachkräftemangel, vor allem in Kitas und Schulen, entgegenstellten«. Das sei die Grundlage allen Handelns.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), dämpft die Erwartungen an die kommende Koalition. Auch in dem Sondierungspapier zeige sich bereits »Projektitis«, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes – er meint damit kurzfristige Förderungen, die wieder eingestellt werden, bevor sie ihre Wirkung erzielen. »Nach Jahren der Unterfinanzierung nun für drei bis fünf Jahre Geld ins System zu geben, wird kein Problem lösen. Wir brauchen vor allem langfristige und nachhaltige Unterstützung.«
Welche Forderungen in die Agenda der neuen Koalition aufgenommen werden, ist derweil unklar. SPD und die Unionsparteien haben Stillschweigen über die Beratungen vereinbart. Viel Zeit haben die Verhandelnden nicht. Bis Montag um fünf Uhr am Nachmittag sollen die AGs ihre Arbeit abschließen.