Die Bundesregierung hält einen Bericht zu in Drittstaaten ausgelagerten Asylverfahren weiter zurück, berichtet das ARD-Hauptstadtstudio[1] und zitiert aus einem offenbar geleakten Entwurf. Darin werde von einem deutschen Alleingang abgeraten, berichtet die »Tagesschau«. Angehört wurden dazu 23 nationale und internationale Sachverständige. Mehrere von ihnen zeigten sich verärgert über die verzögerte Veröffentlichung.
Der vom Bundesinnenministerium beauftragte Bericht[2] untersucht die Möglichkeit, an geltendes europäisches Recht anzuknüpfen und bestimmte Gruppen von Schutzsuchenden in angeblich sichere Drittstaaten zu bringen. Von Interesse war etwa das sogenannte Ruanda-Modell[3], in dem Großbritannien Menschen für ihr Asylverfahren und gegebenenfalls auch späteren Schutz in das ostafrikanische Land bringen wollte. Beschäftigt hat sich das Ministerium auch mit den Plänen Italiens, bestimmte Bootsmigrant*innen nach Albanien zu bringen[4] – dem haben nationale Gerichte jedoch einen Riegel vorgeschoben und den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten.
Für die verschiedenen Drittstaatenmodelle gebe es »teils erhebliche praktische Herausforderungen und Hürden«, folgert deshalb auch der deutsche Bericht. Zudem bestünden »gewisse rechtliche Risiken«. Das Drittstaatenkonzept könne allenfalls »ein Baustein von vielen zur Migrationssteuerung« sein.
Ein derart schlechtes Konzept dürfe nicht weiterverfolgt werden, appelliert deshalb Andreas Grünewald, Referent für Migration bei Brot für die Welt, an die kommende Bundesregierung. »Dieser fehlende Mut, dem Ergebnis des Prüfverfahrens Rechnung zu tragen, hält eine Debatte am Köcheln, die uns bei der Lösung migrationspolitischer Herausforderungen keinen Zentimeter weiter bringt«, so Grünewald, der ebenfalls als Sachverständiger für den Bericht gehört wurde, zu »nd«. Die Auslagerung von Asylverfahren binde »unglaublich viel Ressourcen, schadet dem globalen Flüchtlingsschutz – und macht uns abhängig von fragwürdigen Regierungen«, lautet seine Kritik.
»Die Auslagerung von Asylverfahren bindet unglaublich viel Ressourcen und macht uns abhängig von fragwürdigen Regierungen.«
Andreas Grünewald Brot für die Welt
Nur wenige Staaten in relevanten Regionen kämen für ein Drittstaatenmodell überhaupt in Frage, heißt es in dem Dokument weiter. Zudem gebe es »bisher keine Hinweise darauf«, dass irgendwelche Regierungen außerhalb der EU überhaupt bereit wären, darüber zu verhandeln. Auch die Afrikanische Union hat 2021 klargestellt, dass sie die Auslagerung von Asylverfahren an afrikanische Länder strikt ablehnt. Sollte es dennoch zu Gesprächen kommen, empfiehlt der Berichtsentwurf, diese auf europäischer Ebene gemeinsam zu führen.
Nach Europarecht dürfen Flüchtlinge derzeit nur in ein Land geschickt werden, zu dem sie eine »Verbindung« haben. Hier öffnet der deutsche Bericht jedoch eine Tür: Diese Einschränkung sei völkerrechtlich nicht vorgeschrieben und enge »politische Handlungsspielräume« ein, heißt es darin.
Tatsächlich wird auch auf europäischer Ebene längst über die Abschaffung dieses sogenannten Verbindungselements diskutiert. Das spielt auch eine Rolle in einem Entwurf zur Erneuerung der EU-Rückführungsrichtlinie, den die neue EU-Kommission unter der zweiten Amtszeit Ursula von der Leyens mit ihrem Migrationskommissar Magnus Brunner am 11. März vorgelegt hat. Darin wird die Einrichtung von »Rückführungszentren« in Nicht-EU Ländern vorgeschlagen, in die abgelehnte Asylsuchende gebracht werden können. Angebliches Ziel dieser »Return Hubs« ist es, die Quote der tatsächlichen Abschiebungen zu erhöhen, da derzeit nur etwa 20 Prozent der ausreisepflichtigen Personen die EU verließen.
Kommissar Brunner bezeichnet den Plan als »gerecht, aber auch unnachgiebig«. Sozialdemokrat*innen, Linke und Grüne im Europaparlament haben angekündigt, sich dagegen zu stellen. Solidarische Flüchtlingsorganisationen bezeichnen den Vorschlag als »absurd und unmenschlich« und warnen vor möglichen Menschenrechtsverletzungen.
Gegen die geplanten Verschärfungen der europäischen Asylpolitik formiert sich auch auf der Straße Widerstand. Das Netzwerk Abolish Frontex plant für den 10. April[5] einen transnationalen Aktionstag gegen einen weiter verschärften EU-Migrationspakt. Die Aktivist*innen kritisieren, dass der neue Gesetzesvorschlag der Kommission vom März 2025 ein Instrument sei, um »ein grausames System des Aufspürens, Filterns, Ausbeutens, Inhaftierens und Abschiebens von Menschen zu organisieren und zu legitimieren«. Er schaffe faktisch das Recht auf Asyl in Europa ab.