Für das Bundesarbeitsministerium war es »ein klares Signal zur Stärkung internationaler Sozialstandards«, als Deutschland vor knapp einem Jahr die ILO-Übereinkommen Nr. 184 über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft ratifizierte. Man hatte dabei den Eindruck, dass es hier mehr um ein Zeichen für Länder des globalen Südens ging. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die Lage der Betroffenen in Deutschland seither nicht wirklich gebessert hat.
Auf gravierende Missstände weist auch der aktuelle Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft hin. An der Tagesordnung sind Verstöße gegen den Mindestlohn, auch wird bisweilen gar nicht gezahlt, wenn wegen schlechten Wetters nicht gearbeitet werden kann. Hinzu kommen menschenunwürdige Unterkünfte zum horrenden Preis in ungedämmten Metallcontainern mit durchgelegenenen Matratzen und maroden sanitären Anlagen. Noch immer hält sich das Klischee, die Arbeiter aus immer ferneren osteuropäischen Ländern seien das von zuhause gewohnt.
Das fehlende Unrechtsbewusstsein der Landwirte kommt auch dadurch zustande, dass ihnen kaum Sanktionen drohen. Behördliche Kontrollen sind selten, und die ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeiter haben kaum die Möglichkeit, ihr Recht einzuklagen. Viele wechseln einfach den Betrieb oder reisen auf eigene Kosten nach Hause. Es ist eben nicht damit getan, ILO-Übereinkommen zu unterzeichnen. Man muss auch die Zustände verändern wollen.