Lehrer müssen bei einer vollen Stelle an Brandenburgs Grundschulen 27 Stunden in der Woche unterrichten, an Oberschulen und Gymnasien 25 Stunden. Um eine Pflichtstunde waren die Lehrkräfte 2014 unter der damaligen rot-roten Koalition entlastet worden[1]. Dies soll nun rückgängig gemacht werden.
»Es ist richtig, dass es diese Pläne gibt. Das kann ich bestätigen«, sagt SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann am Dienstag. Die Zeitung »Tagesspiegel« hatte berichtet[2], dass dies rund 40 Millionen Euro jährlich bei den staatlichen Schulen spare und weitere 30 Millionen Euro bei den Zuschüssen für die Privatschulen. Letztere leben trotz Schulgeld der Eltern überwiegend vom Staat. 648 zusätzliche Lehrerstellen soll Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD)[3] in den Haushaltsverhandlungen vergeblich gefordert haben. Eine erhöhte Pflichtstundenzahl würde den Personalaufwuchs entbehrlich machen. SPD-Fraktionschef Lüttmann erläutert, es sei noch nicht geklärt, ab wann die höhere Stundenzahl gelten solle. Er versichert, kein Lehrer müsse deswegen mehr Arbeitszeit befürchten.
Die Pflichtstunden geben lediglich Auskunft über die zu haltenden Unterrichtsstunden von je 45 Minuten. Die wollen aber vorbereitet sein und es sind Klassenarbeiten zu korrigieren, Zeugnisse zu schreiben, Elterngespräche zu führen. Jeder Lehrer mit voller Stelle arbeitet also länger als 40 Stunden die Woche. Er hat dann allerdings mehr Ferien als andere Urlaub, was aber die Mehrbelastung nur zum Teil ausgleicht.
Wie die Anhebung der Pflichtstundenzahl auf Berliner Niveau nicht zu einer längeren Wochenarbeitszeit führen soll? SPD-Politiker Lüttmann zufolge sollen die Pädagogen von unnötigen bürokratischen Aufgaben befreit werden und sich wieder mehr auf das Unterrichten konzentrieren. Der BSW-Abgeordnete Falk Peschel erinnert, so sei es schließlich auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden. »Es ist eine Information, die auch uns erreicht hat«, bestätigt Peschel die geplante Erhöhung der Pflichtstundenzahl.
»Das ist ein bildungspolitisches Armutszeugnis«, kritisiert die Grünen-Landesvorsitzende Andrea Lübcke. Wer wirklich weniger Unterrichtsausfall wolle, brauche mehr Lehrkräfte und nicht mehr Belastung der vorhandenen Kollegen. »Schon heute haben wir das Problem, dass die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer nicht besonders attraktiv sind«, sagt Lübcke. »Noch mehr Lehrkräfte im Burnout nutzen den Schulen auch nichts. Ob man, indem man die Mindeststunden erhöht, den Beruf attraktiver macht, wagen wir zu bezweifeln.«
»Wir haben gar nichts gegen diese eine Stunde. Man muss die Lehrer aber mitnehmen mit Anreizen.«
Jan Redmann CDU-Fraktionschef
Für den Linke-Landesvorsitzenden Sebastian Walter ist die Absicht »nichts weniger als ein Skandal«. Dass es mehr Lehrer und bessere Schulen brauche, da seien sich doch bisher alle einig gewesen, sagt er. Mit den Mehrstunden würden »diejenigen bestraft werden, die jeden Tag versuchen, das Beste aus dem zum Teil maroden Schulsystem herauszuholen«. Das Ergebnis wären nach Überzeugung von Walter mehr Unterrichtsausfall und weniger Lehrer. Er spricht von »nie dagewesenen Taschenspielertricks«.
Derweil bekennt CDU-Fraktionschef Jan Redmann für seine Partei: »Wir haben gar nichts gegen diese eine Stunde. Man muss die Lehrer aber mitnehmen mit Anreizen.« So könnte die eine Stunde auf die Lebensarbeitszeit angerechnet werden. Das würde es den Lehrern ermöglichen, später einmal früher in Pension zu gehen. Ohne so eine Gegenleistung, befürchtet Redmann, würden sich noch mehr Lehrer aus dem anstrengenden Schuldienst verabschieden – und dann hätte das Bildungsministerium noch größere Schwierigkeiten als ohnehin schon.
Wie die Haushaltsverhandlungen gerade laufen, erlebt Redmann als »kommunikatives Desaster«. Erst werde bekannt, dass Finanzminister Robert Crumbach[4] (BSW) den Pensionsfonds[5] mit den Rücklagen für Beamte im Ruhestand auflösen wolle – und es werde nicht klar, wie das Land die Pensionen dann in den nächsten Jahren finanzieren wolle. Nun müssten die Lehrer aus der Zeitung erfahren, dass sie eine Unterrichtsstunde mehr geben sollen – und es bleibe völlig unklar, wie sie dafür entlastet werden.