nd-aktuell.de / 26.03.2025 / Sport / Seite 1

Ski Alpin: Dann kam Emma Aicher – und rettete die Saison des DSV

Bei der 21-jährigen Skirennläuferin vom SV Mahlstetten hat es Klick gemacht

Elisabeth Schlammerl
Emma Aicher ist als großes Versprechen für die Zukunft schon jetzt in der Weltspitze angekommen.
Emma Aicher ist als großes Versprechen für die Zukunft schon jetzt in der Weltspitze angekommen.

Noch einmal aufraffen, sich fokussieren für den letzten Auftritt im Weltcup in diesem Winter[1]. Es mag nicht ganz so einfach sein, wenn man wie Emma Aicher schon 31 Skirennen hinter sich hat – so viele wie keine andere Athletin in der höchsten alpinen Liga. Aber die 21-Jährige vom SV Mahlstetten lässt sich vor dem abschließenden Slalom an diesem Donnerstag beim Weltcupfinale in Sun Valley im Nordwesten der USA nicht anmerken, dass die Energie schwindet – und womöglich auch die mentale Fitness. Denn diese Saison war für sie eine ganz besondere. Und das in mehrerlei Hinsicht.

Emma Aicher hat eine ansonsten eher bescheidene alpine Saison für den Deutschen Skiverband[2] (DSV) am Ende mehr als nur aufgehübscht. Bis Anfang März beschränkten sich die Erfolge auf den Slalom: drei Podestplätze von Lena Dürr im Weltcup und die Bronzemedaille von Linus Straßer bei den Weltmeisterschaften im österreichischen Saalbach-Hinterglemm[3]. Es drohte die schlechteste Saison seit vielen Jahren und die erste ohne Weltcupsieg seit 2006. Aber dann kam Emma – und gewann erst die Abfahrt im norwegischen Kvitfjell und zwei Wochen später den Super-G von La Thule im italienischen Aostatal.

Die gebürtige Schwedin galt bereits bei ihrem Wechsel 2019 nach Deutschland, der Heimat ihres Vaters, als riesiges Talent – und bald schon als ganz große Hoffnung für die Zukunft. Zunächst beschränkten sich ihre Einsätze im Weltcup auf den Slalom, aber da sie auch auf den langen Skiern eine gewisse Begabung zeigte, ließ sie der deutsche Frauen-Cheftrainer Andreas Puelacher bald schon auch in den schnellen Disziplinen starten.

Puelacher hat damit auch Kritik im eigenen Verband in Kauf genommen und die Tatsache, dass Erfolge etwas länger auf sich warten lassen können. Während die für Albanien startende Lara Colturi, die bisher nur im Slalom und Riesenslalom antritt, schon kurz nach ihrem 18. Geburtstag zum ersten Mal auf dem Podest stand, gab Aicher zwar immer wieder Kostproben ihres großen Talents ab, schied aber auch fast ebenso häufig aus. In dieser Saison erreichte sie elfmal nicht das Ziel. »Sie kann es nur so lernen«, begründete Puelacher seine Entscheidung. Den Wechsel zwischen kurzem Slalom-Ski und den langen Latten für die Abfahrt, meinte er. Unterstützung bekam er von Aicher selbst, die vom Skifahren nicht genug bekommen kann. Zum Konditionstraining müsse er sie treiben, erzählte Puelacher im Januar: »Aber vom Ski bekommt man sie nicht runter.«

Zunächst sah es so aus, als ob der Schritt nach ganz vorne am ehesten im Slalom gelingen könne. Da, meinte Puelacher im Februar, sei Aicher schon »eine potenzielle Stockerlfahrerin«. In den schnellen Disziplinen wisse sie dagegen nicht, »wie sie das tun soll«. Aber er war sich auch sicher: »Es muss da einfach mal Klick machen.«

Bei den Weltmeisterschaften schien der Moment dann gekommen: Das Streckenprofil mit ein paar Gleitpassagen und wenig engen Kurven kam ihr entgegen, da konnte sie ihr Skigefühl ausspielen und wurde in Abfahrt und Super-G jeweils Sechste. Und das nahm sie mit nach Kvitfjell, holte bei der ersten Abfahrt als Zweite ihren ersten Podestplatz und ließ einen Tag später den ersten Sieg folgen.

Wer es schafft, eine gute Leistung am nächsten Tag nicht nur zu bestätigen, sondern sogar noch zu übertreffen, bei dem stimmen nicht nur die Skitechnik und die körperliche Fitness, sondern auch die mentale Bereitschaft. Aicher ist keine, die sich schnell beeindrucken lässt, weder vom eigenen Erfolg noch von dem, was um sie herum passiert. Auch in Kvitfjell ließ sie sich nicht zu größeren Gefühlsausbrüchen hinreißen, sondern tat, was in so einem Fall getan werden muss, womit Novizinnen auf dem Podest im Überschwang allerdings manchmal Schwierigkeiten haben: sich nicht zu sehr mit dem Erreichten beschäftigen, sondern mit dem nächsten Rennen. »Ich habe versucht, gestern zu vergessen. Ich musste es ja heute noch einmal machen«, sagte Aicher nach ihrem Sieg.

Die Gelassenheit und das Unaufgeregte helfen der wortkargen Hochbegabten auf dem Weg nach oben. Für die Trainer ist es manchmal nicht so einfach, weil Aicher mit Rückschlägen besser umgehen kann als ihr Umfeld. Er habe in seiner langen Trainerkarriere kaum einmal eine Athletin wie Aicher betreut, sagt DSV-Chefcoach Puelacher. Eine, die so lernfähig ist, aber gleichzeitig über eine so große Resilienz verfügt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186986.ski-alpin-ski-weltcup-ein-bisschen-frieden.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188775.ski-alpin-dsv-sportvorstand-wolfgang-maier-fordert-drei-wm-medaillen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188804.saalbach-hinterglemm-alpine-ski-wm-koennte-fuer-oesterreich-enttaeuschung-werden.html