»Wer ist die BVG?«, fragt ein Redner auf der Streikkundgebung von Verdi vor der BVG-Zentrale in der Holzmarktstraße am Mittwochmorgen. Die vielen Streikenden rufen zurück: »Wir sind die BVG!« Für Mittwoch und Donnerstag hat Verdi ihre Mitglieder zum Warnstreik aufgerufen. Zuvor hatte die Gewerkschaft am vergangenen Freitag die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt. Es ist bereits die vierte Arbeitsniederlegung[1] in dieser Tarifauseinandersetzung.
Knackpunkt ist die Gewerkschaftsforderung von 750 Euro[2] mehr Lohn für die 16 500 Beschäftigten bei einer Vertragslaufzeit von 12 Monaten. Die BVG hatte diese als realitätsfremd und nicht finanzierbar bezeichnet und zuletzt 375 Euro mehr für 24 Monate angeboten[3]. Nach dem Scheitern der Verhandlungen sondieren beide Seiten bis zum Ende der Woche die Möglichkeiten für ein Schlichtungsverfahren. Aber noch sind keine Schlichter bestimmt, und ohnehin wäre ein Schlichterspruch rechtlich nicht bindend.
Auf der Kundgebung unweit des S- und U-Bahnhofs Jannowitzbrücke können die Verdi-Mitglieder ihre Stimme abgeben. Angesichts der stockenden Verhandlungen entscheiden sie in einer Urabstimmung bis zum 4. April darüber, ob es einen unbefristeten Streik geben soll. Die Stimmung auf der Versammlung jedenfalls deutet in diese Richtung.
Lisa Wöhlecke, die in der IT-Abteilung der BVG [4]arbeitet, setzt wenig Hoffnung auf das Schlichtungsverfahren. »Die BVG-Leitung ist mit allem, was möglich ist, auf die Gewerkschaft zugegangen«, sagt sie. Sie sieht die Landespolitik in der Verantwortung. »Das Land Berlin muss Geld zuschießen.« Damit das passiert, müsse im Zweifel gestreikt werden. »Anders geht es leider nicht.«
»Ich würde auch lieber arbeiten, doch wir müssen Druck aufbauen«, erklärt auch Patrick Krüger, der als Bahnhofsmanager tätig und am Mittwoch wie seine Kolleg*innen im Ausstand ist. Die bisherigen Angebote der BVG hält er für unzureichend. »Es wird immer gesagt, die Forderungen seien zu hoch, aber das stimmt nicht.« Während in den letzten vier Jahren die Preise immer weiter gestiegen seien, habe es bei der BVG keine Lohnerhöhung gegeben.
»Das Land Berlin muss Geld zuschießen.«
Lisa Wöhlecke IT-lerin bei der BVG
Seine Kollegin Funda Gezmen, die als U-Bahn-Fahrerin auf der U7 arbeitet, pflichtet ihm bei: »Man kann das alles nicht mehr bezahlen. Vor allem Leute, die alleine für ihre Familie sorgen müssen.« Die Auswirkungen des Streiks für die Berliner*innen sind den beiden Beschäftigten bewusst. »Wir wollen nicht, dass die Fahrgäste leiden«, so Gezmen.
Aktuell befinde man sich mit der Bezahlung in Vergleich mit anderen Verkehrsunternehmen in Deutschland am unteren Ende der Skala, so Krüger. »Wir wollen nur ins Mittelfeld.« Die BVG gibt an, dass das letzte Angebot einen Sprung »auf den dritten Platz im bundesweiten Vergleich« bedeute.
Bahnhofsmanager Krüger zufolge seien die schlechte Bezahlung und die Arbeitszeiten am Wochenende und nachts Ursache für den großen Personalmangel. »Wenn neue Kollegen kommen, sind nach zwei Jahren 80 Prozent von ihnen wieder weg«, berichtet er. Auch deswegen seien fast alle seiner Kolleg*innen für einen unbefristeten Streik.
Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt sagt im Gespräch mit »nd«, man wolle alles dafür tun, um einen Tarifabschluss zu erreichen. »Nur nicht unter allen Bedingungen.« Die Kolleg*innen hätten zurückgemeldet, dass sie es unverschämt fänden, dass die Arbeitgeberseite letzte Woche kein neues Angebot vorgelegt habe.
»Wenn die Schlichtung hilft, ein besseres Verständnis zu gewinnen, die Mauern einzureißen, dann kann sie ein wertvolles Instrument in der Tarifrunde sein«, sagt der Gewerkschafter. Er dämpft aber die Erwartungen an das Verfahren: »Die Schlichtung bedeutet ja nicht automatisch, dass dann am Ende ein Tarifabschluss steht.« Diese sei in erster Linie eine Empfehlung, auf deren Basis man dann weiterverhandeln könne.
In der Sache bleibt Arndt hart: »Die BVG ist zentral, um in Berlin mobil zu sein.« Auch deshalb brauche es eine entsprechende Bezahlung, damit die Leistungen erbracht werden können. »Die BVG ist in einer Krise.[5] Letztes Jahr mussten aufgrund von Personalmangel schon Busleistungen zurückgefahren werden.« Wenn Berlin weiter auf hohem Niveau Mobilität sicherstellen wolle, müsse in der Tarifrunde etwas passieren, ist sich der Verhandlungsführer sicher. »Sonst werden weitere Leistungsreduzierungen folgen. Und das wäre quasi ein Dauerstreik, ohne dass wir beteiligt sind.«