Die Gigantenschanze von Planica[1] ist an diesem Wochenende genau die richtige Bühne für Markus Eisenbichler[2], um seine große Karriere ausklingen zu lassen. Hier in Slowenien feierte der deutsche Rekord-Weltmeister seinen ersten Weltcup-Sieg, hier stellte er mit 248 Metern gleich zweimal den deutschen Skiflug-Rekord auf. Das Fliegen von den größten Bakken der Welt war immer die größte Leidenschaft des Bayern, der immer ein bisschen anders als all die anderen (braven) deutschen Skispringer war.
»Natürlich war ich immer sehr stur – aber auch sehr streng zu mir selbst«, sagt Eisenbichler. Oft in seiner Karriere wollte er mit dem Kopf durch die Wand. Das bescherte seinem Heimtrainer Christian Leitner »sehr, sehr viele graue Haare«, wie Eisenbichler einräumt. Auch mit dem ehemaligen Bundestrainer Werner Schuster[3] rasselte der eigensinnige Mann aus Siegsdorf oft zusammen. Allerdings feierte er unter ihm auch seine größten Erfolge – bei den Weltmeisterschaften 2019 gewann Eisenbichler gleich drei Titel.
»Das Schöne mit Christian Leitner und dem Schuster Werner ist, dass man sich nach dem Streit wieder zusammensetzt und dann ist es auch wieder gut«, erzählt Eisenbichler. Mit dem heutigen Bundestrainer Stefan Horngacher[4] funktionierte das ab 2019 so nicht mehr. Der eher als Hardliner bekannte Österreicher akzeptierte die Extratouren des Mannes, der in einem eher auf den Absprung fixierten deutschen Team mit dem größten Flugtalent gesegnet war, oft nicht. Besonders in den letzten beiden Wintern ging es leistungsmäßig immer weiter abwärts für den freiheitsliebenden Eisenbichler, der meist nur noch im zweitklassigen Continental-Cup starten durfte.
Der Weltcup wurde für seine deutschen Kollegen in diesem Winter zur Achterbahnfahrt. Dem überragenden Saisonstart mit Seriensiegen von Pius Paschke folgte eine schwere zweimonatige Krise. Erst bei der WM in Trondheim[5] schafften die deutschen Skispringer mit Silber von der Normalschanze durch Andreas Wellinger wieder den Weg zurück in die Weltspitze. Und aus Silber könnte wegen des Manipulationsskandals der Norweger[6] nachträglich noch Gold werden. Dafür müsste der schon des Betrugs überführte norwegische Weltmeister Marius Lindvik disqualifiziert werden.
»Man muss die ganze Situation verstehen und sehen, wann diese Manipulation[7] angefangen hat. Die Entscheidungen werden dann sehr konsequent sein«, hatte Sandro Pertile als Renndirektor Weltverbandes Fis angekündigt. Die Ergebnisse der externen Untersuchungskommission sollen im Sommer vorgestellt werden. Dann geht es neben Gold für Wellinger nach drei vierten Plätzen bei der WM auch um drei zusätzliche deutsche Medaillen.
Eisenbichler wird das mehr oder weniger egal sein. Gepeinigt von latenten Knie- und Rückenschmerzen war nicht einmal Olympia im kommenden Winter genug Motivation zum Weitermachen. Und er freut sich jetzt schon auf die Zeit ohne Skispringen: »Nach der sportlichen Karriere geht das Leben für uns Sportler eigentlich erst richtig los. Es gibt keinen Trainingsplan. Ich kann heimkommen, wann ich will. Ich kann essen gehen, wann ich will und genieße es sogar, mir mal ein Schnitzel zu gönnen, obwohl es gar nicht mein Lieblingsgericht ist. Ich bin vogelfrei und kann einfach nur das tun, worauf ich Lust habe.«
Nach dem Weltcup-Finale geht es für Eisenbichler erst mal nach Norwegen zum Langlaufen, danach ist eine Skitour von Chamonix nach Zermatt geplant. Nach der wohlverdienten Auszeit mit Freunden wird er seine berufliche Karriere in der Sportschule Bad Endorf fortsetzen. Er will dem Skispringen erhalten bleiben – am liebsten als Trainer: »Ich habe viele Höhen und Tiefen erlebt und kann da vielleicht den einen oder anderen jungen Sportler vor Problemen bewahren. Ich könnte mir auch gut vorstellen, als Experte zu arbeiten.« Privat will er ein Haus bauen und denkt auch über die Gründung einer Familie nach, wenn er die richtige Frau trifft.
Eisenbichler geht genau wie sein Kollege Stephan Leyhe mit Freude in seine Sportlerrente – aber auch mit Bedenken über die Zukunft des deutschen Skispringens: »Wir haben leider nicht so viele Talente, wie zum Beispiel Österreich. Dass ich im Continental-Cup mit fast 34 Jahren der beste Deutsche bin, ist schon ernüchternd. Natürlich macht mir das Sorgen.«