nd-aktuell.de / 27.03.2025 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Geprägt von drohenden Zollschocks

IMK-Konjunkturprognose vorsichtig optimistisch, aber Risiken durch US-Zollpolitik überwiegen

Felix Sassmannshausen
Die protektionistische Handelspolitik der USA und geopolitische Konflikte belasten die deutsche Wirtschaft. Dennoch zeigt sich das IMK vorsichtig optimistisch.
Die protektionistische Handelspolitik der USA und geopolitische Konflikte belasten die deutsche Wirtschaft. Dennoch zeigt sich das IMK vorsichtig optimistisch.

»Wir haben einen signifikanten Autoexport aus Deutschland in die USA. Ein Zoll in Höhe von bis zu 25 Prozent tut da ziemlich weh.« Mit diesen warnenden Worten stellte Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), am Donnerstag die neue Konjunkturprognose vor. Wie groß der Schaden durch die drohenden US-Zollschocks[1] konkret ausfällt, ist indes schwer zu beziffern, erklären die Forscher*innen. Für die Prognose hat man angenommen, dass nur die Hälfte der angekündigten Zollsätze tatsächlich umgesetzt wird. »Aber in welchem verrückten Ausmaß die US-Politik ihre Zölle festlegt, lässt sich nicht sagen«, erklärt auch IMK-Wirtschaftsexperte Thomas Theobald.

Diesen Risiken und den zuletzt schlechten hiesigen Wirtschaftsdaten[2] zum Trotz fallen die Aussichten des IMK überraschend positiv aus. Nach einer langen Stagnationsphase zeichnet sich eine Belebung ab – allerdings nicht vor 2026: Während für das laufende Jahr ein Minus von 0,1 Prozent erwartet wird, könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP), eine der wichtigsten wirtschaftlichen Kennzahlen, im Folgejahr um 1,7 Prozent wachsen.

Binnennachfrage und Bauwachstum

Optimistisch stimmt die erwartete steigende Binnennachfrage. »Die Menschen haben real wieder mehr Geld in der Tasche«, betont IMK-Direktor Dullien mit Blick auf die starken Lohnzuwächse im vergangenen Jahr. Erste Indikatoren deuteten auf einen Rückgang der hohen Sparquote hin, was zu steigenden Konsumausgaben von knapp einem Prozent führen würde.

Vor allem im Dienstleistungsbereich und auch in der zuletzt kriselnden Bauwirtschaft zeichnet sich künftig Wachstum ab. Dabei spielt die sinkende Inflationsrate etwa für energieintensive Produkte wie Zement oder Asphalt eine maßgebliche Rolle. Die Energiepreise liegen zwar »nach wie vor auf einem belastend hohen Niveau«, wie IMK-Finanzexpertin Silke Tober auf nd-Nachfrage erklärt. Aber es sei weiter mit Entspannung zu rechnen, weshalb der Zinskurs der Europäischen Zentralbank gelockert und damit auch Bauinvestitionen wieder lukrativer werden dürften.

Stärker noch könnten das staatliche Investitionspaket in die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro und die zusätzlichen Verteidigungsausgaben ins Gewicht fallen. »Mit der Einigung von Union und SPD wurden die Karten neu gemischt«, heißt es in der Prognose. Laut IMK ziehen auch vor diesem Hintergrund die Ausrüstungsinvestitionen, also die Ausgaben von Unternehmen für fixes Kapital, bereits in der zweiten Jahreshälfte an. Im Jahr 2026 soll das Wachstum dann ganze 7,1 Prozent betragen – darunter fallen Investitionen in die Rüstungsproduktion.

Unproduktives Rüstungswachstum

Doch das könnte zu Problemen führen. Rüstungsausgaben gelten, anders als Investitionen in den öffentlichen Kapitalstock wie Schienen und Straßen, nicht als produktiv. Sie erhöhten zwar kurzfristig die Wirtschaftsleistung. »Aber Panzer stehen am Ende in der Kaserne und steigern nicht die Produktivität«, erklärt Dullien.

Und wenn die EU-Kommission auf die Einhaltung der erst 2024 reformierten Schuldenregeln pocht, könnte das zulasten der Infrastrukturinvestitionen gehen[3]. Die Ratingagentur Moody’s schätzt, dass die Schuldenquote in Deutschland auf knapp 68 Prozent steigen könnte – acht Prozent mehr als nach den Fiskalregeln erlaubt.

Vor dem Hintergrund erwarten die Ökonom*innen des IMK eine politische Lösung, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Rüstungsausgaben bereits in Aussicht gestellt hat: Die sollen von den Schuldengrenzen ausgenommen werden, sodass Staaten ihre Verteidigungsausgaben um etwa 1,5 Prozent erhöhen könnten, ohne in ein Defizitverfahren zu rutschen.

EU-Industriepolitik gefragt

Anders als in der boomenden Rüstungsindustrie könnten Arbeitsplätze in anderen Bereichen wie der Automobil- oder Stahlindustrie dagegen weiter abgebaut werden. Auch aufgrund des zunehmenden Protektionismus prognostizierten die Forscher*innen, dass sinkende Exporte das Wachstum im Jahr 2025 um zwei Prozentpunkte herunterziehen werden. Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Zölle zu vermehrten Umleitungen von subventionierten Ausfuhren aus China und Indien führen dürften.

Darum sei der aktuelle Vorstoß der EU-Kommission unterstützenswert, die hiesige Industrie zu fördern und vor Importen und Strafzöllen zu schützen. »Aber wir sind noch nicht am Ende«, gibt Dullien auf nd-Nachfrage zu bedenken. »Es gibt keine umfassende Strategie, wie man mit der Automobil- und Stahlindustrie umgeht.« Unabsehbare Folgen könnte zudem haben, wenn die US-Ökonomie in eine Rezession rutschen würde oder kriegerische Konflikte weiter eskalierten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190106.aussenwirtschaftspolitik-trumps-zollwut.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188267.wirtschaftsflaute-kein-wachstum-unter-dieser-nummer.html?sstr=imk
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189955.aufruestung-sparen-fuer-die-kriegstuechtigkeit.html?sstr=konjunktur