Riesige Papierbahnen laufen ununterbrochen über meterlange Maschinenbänder: Mehr als 140 000 Tonnen Zeitungspapier werden etwa bei den Funke-Zeitungsdruckereien pro Jahr verarbeitet. Dabei laufen rund 20 Kilometer lange Rollen mit mehr als neun Metern pro Sekunde durch die Rotationsmaschinen. Ein Beispiel, mit dem sich die Dimensionen der deutschen Gesamtproduktion von mehr als 14 Millionen Zeitungen täglich immer noch nur erahnen lassen. Am Ende steht ein enormer Verbrauch von Farbe und Papier (dahinter wiederum Holz, Wasser und Energie), mit dem die Zeitungsbranche zum insgesamt hohen Papierverbrauch Deutschlands beiträgt.
Laut dem Natuschutzbund Deutschland (Nabu) lag dieser im Jahr 2021 bei 19 Millionen Tonnen, was Deutschland zum weltweiten Spitzenreiter im Verbrauch von Papier, Pappe und Karton macht. Auf einen durchschnittlichen Verbrauch umgerechnet handelt es sich dabei um 228 Kilogramm pro Person – etwa 625 Gramm am Tag und damit ein etwa 600-seitiges Taschenbuch, so der Nabu. Mehr als die Hälfte des Gesamtverbrauchs wird für Verpackungen genutzt. Aber auch Toiletten-, Schreib- und Zeitungspapier zählen zu der Rechnung. Also Papier mit kurzer Lebensdauer, das nur einmal oder nur kurz genutzt wird, bevor es schon wieder entsorgt wird. Und auch wenn die Menge an Printzeitungen durch sinkende Abozahlen[1] rückläufig ist, bedeutet der verbliebene Papierverbrauch der Branche eine Belastung für Umwelt und Natur.
Wie der Journalist und nd-Autor Jürgen Klute bei einem Besuch der belgischen Zeitung »De Standaard« im Sommer 2024 erfahren hat, versteht man dort die Digitalisierung der Zeitungsbranche deswegen auch nicht als Verlust, sondern als Chance: für klimaneutralere Arbeit und einen Beitrag zum Schutz der Umwelt. Angesichts von Zielen wie einer klimaneutralen EU bis 2050 und einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 versteht man dort den Abschied von Print als Beitrag zum Klimaschutz und ist überzeugt: Mehr Unternehmen – auch Verlage – müssen Klimafragen in ihre Unternehmensstrategien einbinden. Schließlich ist weder die Papierproduktion noch der Vertrieb von Zeitungen emissionsfrei.
Auch in Deutschland entwickeln große Medienhäuser Nachhaltigkeitsstrategien: In der Druckerei der »Süddeutschen Zeitung« nutzt man bereits seit Jahren bis zu 100 Prozent Recyclingpapier, setzt laut eigenen Angaben Ökostrom ohne CO2-Emissionen ein und betreibt durchgängig Energiemanagement. So wird etwa die Makulatur, also das bereits bedruckte, aber fehlerhafte Papier, als Wertstoff sortiert und kann so wiederverwendet werden. Seit 2019 erfasst und dokumentiert man dort seine CO2-Bilanz mit dem klaren Ziel, eine klimaneutrale Zeitungsproduktion zu erreichen.
Auch der Springer-Verlag hat Klimaschutzziele formuliert, darunter die Reduktion der CO2-Emissionen um 90 Prozent bis 2045. »Im Jahr 2020 lagen unsere Klima-Emissionen bei rund 400 000 Tonnen CO2 – was ungefähr den Emissionen einer Kleinstadt wie Frankfurt (Oder) entspricht. Das verdeutlicht: Wir müssen uns unserer Verantwortung stellen und dem Klimawandel stärker entgegentreten«, so der »Head of Sustainability« (Leiter Nachhaltigkeit) bei Axel Springer. Und auch regionale Zeitungsverlage investieren in moderne, energieeffiziente Drucktechnologien und optimieren ihre Logistikketten.
Die schwedische Zeitung »ETC« geht noch weiter und fördert gemeinsam mit ihrer Leserschaft Umweltschutzprojekte: So wurden bereits Solaranlagen finanziert und mehrere klimafreundliche Mietshäuser gebaut. In diesem Jahr soll in dem Ort Hultsfred mit dem Bau von sieben Doppelhaushälften begonnen werden, von denen eine durch Solarzellen völlig autark in der Stromerzeugung sein wird.
In der Medienbranche wird also schon lange nicht mehr nur über die Klimakrise geschrieben. Nachhaltigkeit wird notwendigerweise in den eigenen vier Wänden mitgedacht – wobei auch der digitale Wandel eine zentrale Rolle spielt. Digitale Formate verbrauchen zwar kein Papier, haben aber ihre eigenen ökologischen Herausforderungen. Etwa eine aufwändige Infrastruktur, die jede Menge Strom frisst und genauso einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Bei »De Standaard« in Belgien habe man sich dafür entschieden, für den technischen Bereich mit anderen Zeitungen zusammenzuarbeiten, berichtet Jürgen Klute. Und auch das »nd« hat mit der Entwicklung der App »nd.Digital« gemeinsam mit der Schweizer Wochenzeitung (WOZ)[2] einen kleinen Schritt in solch eine Richtung gemacht. Auch die nd.Genossenschaft sieht also im digitalen Wandel die Chance für nachhaltigere Nachrichten und sollte sich als linke Zeitung der Entwicklung nicht entziehen. Schließlich wollen wir unsere Zeitung von gestern zu einer für morgen machen[3].
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190116.zeitungsbranche-nachhaltige-nachrichten.html