Eigentlich hatten sich die Verhandler von Union und SPD auf absolutes Stillschweigen zum Stand der Koalitionsgespräche[1] geeinigt. Kaum ist die erste Phase der Verhandlungen beendet und die ersten Ergebnisse der thematischen Arbeitsgruppen[2] in Dokumenten zusammengefasst, sickern die schwarz-roten Papiere an die Öffentlichkeit durch. Unter anderem einigen sich Union und SPD auf massive Verschärfungen in der Migrations- und Asylpolitik – und sorgen so bei Menschenrechtsorganisationen für große Empörung.
Was Schwarz-Rot für Migration, Außenpolitik und Verteidigung plant und welche Punkte noch offen sind – eine Übersicht.
Im Bereich Migration haben sich die Unterhändler von CDU und SPD auf deutliche Verschärfungen geeinigt. Nach einem kursierenden Entwurf der AG Innen, Recht, Migration und Integration wollen sie unter anderem die Reihe sicherer Herkunftsstaaten ausweiten, in die Menschen abgeschoben werden können. »Wir beginnen mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien.« Eine Erweiterung soll ständig geprüft werden, heißt es in dem Papier, an dem es noch Änderungen im Detail gegeben haben könnte.
Zudem sollen freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes, zum Beispiel für Menschen aus Afghanistan, »soweit wie möglich« beendet werden. Der Familiennachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten – häufig Kriegsgeflüchtete – soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Besonders brisant: Asylsuchende sollen »in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn« an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD auseinander.
Wer wegen schwerer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, soll normalerweise ausgewiesen werden. »Dies gilt insbesondere bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei Volksverhetzung, bei antisemitisch motivierten Straftaten sowie bei Widerstand und tätlichen Angriffen gegen Vollstreckungsbeamte.«
In manchen Punkten gehen die Meinungen klar auseinander. So wollen die Unionsunterhändler etwa die Sozialleistungen für Ausreisepflichtige »auf das verfassungsrechtlich Erforderliche« kürzen, es sei denn, die Ausreise findet unverschuldet nicht statt. Die SPD dagegen will das Chancenaufenthaltsrecht verlängern. Es verschafft Menschen, die zu einem Stichtag fünf Jahre legal in Deutschland gelebt haben, eine Art Aufenthaltserlaubnis auf Probe.
In der Außen- und Sicherheitspolitik sind sich Union und SPD in vielen Punkten bereits einig. Dem Abschlusspapier der entsprechenden Arbeitsgruppe zufolge liegen die Positionen bei Themen wie der Wehrpflicht jedoch weit auseinander.
Die Union will die Rückkehr zur Wehrpflicht – deren Aussetzung soll beendet werden. Die SPD plädiert hingegen für einen auf Freiwilligkeit basierenden »neuen Wehrdienst«. Einen solchen hatte bereits Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorangetrieben. Die Sozialdemokraten wollen zudem »eine breite gesamtgesellschaftliche Diskussion« zur Einführung eines neuen Dienstes.
Grundsätzlich einig wurde man sich bei den Verteidigungsausgaben. CDU/CSU und SPD wollen die Investitionen in die Verteidigung bis zum Ende der Legislaturperiode »deutlich und stringent« steigern. Die Union fordert eine Steigerung »in Richtung« 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; die SPD will die konkrete Höhe offenlassen.
Die Beziehung zu den USA bleibt für Union und SPD »von überragender Bedeutung«. Die transatlantische Partnerschaft wird als »große Erfolgsgeschichte für beide Seiten« bezeichnet, die es unter den neuen Bedingungen fortzusetzen gelte. Darunter verstehen die Parteien: die Übernahme von »mehr Verantwortung für unsere gemeinsame Sicherheit« sowie in der Handelspolitik »den engen Schulterschluss mit ganz Nordamerika«.
Beim Thema Israel herrscht Konsens über die »tiefe Freundschaft mit Israel«, das Existenzrecht und die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson sowie die Verurteilung des Hamas-Angriffs. Die beiden Parteien sind sich zudem einig, Israel weiterhin durch Rüstungsexporte zu unterstützen und sich für eine Zweistaatenlösung einzusetzen. In einem alternativen Absatz geht die Union mit der Israel-Unterstützung noch weiter: Gefordert werden Rüstungsexporte ohne Beschränkung. Die SPD berücksichtigt in ihrem alternativen Abschnitt auch die Lage der Palästinenser: Sie will auch die Siedlungspolitik Israels, Pläne zur Annexion palästinensischer Gebiete und »die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen« in der Koalitionsvereinbarung verurteilen.
Die militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine soll »substanziell« gestärkt und fortgesetzt werden. Union und SPD betonen die Bedeutung von Sicherheitsgarantien für eine souveräne Ukraine und bekräftigen die Nato-Beitrittsperspektive für das Land. Zudem soll nach Möglichkeiten gesucht werden, das eingefrorene russische Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen.