Berlin. Seit beinahe drei Monaten liegt die »Eventin« vor Sassnitz auf Rügen vor Anker. Der Tanker, der als Teil von Russlands sogenannter Schattenflotte an den westlichen Sanktionen vorbei Öl transportierte wurde am 10. Januar manövrierunfähig vor Deutschlands größter Insel aufgegriffen und wegen der drohenden Gefahr eines Ölaustritts ins Gewässer vor Sassnitz geschleppt und seitdem dort festgehalten und von deutschen Behörden überwacht.
Jetzt hat Deutschland das Schiff offiziell beschlagnahmt, wie das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des Norddeutschen Rundfunks (NDR) bestätigte. Damit seien die Voraussetzungen geschaffen worden, Schiff und Ladung zu verwerten. Konkret heißt das: Deutschland will die rund 100 000 Tonnen Rohöl an Bord im geschätzten Wert von rund 40 Millionen Euro abpumpen und verkaufen. Wie genau das geschehen soll, ist noch nicht bekannt.
Für Sanktionsexperte Sascha Lohmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist die Beschlagnahmung des Tankers mit »politischem Risiko« verbunden. Gegenüber dem NDR in Mecklenburg-Vorpommern spricht Lehmann von einer »erheblichen Eskalation«. »Überraschend ist, dass die Bundesregierung das Risiko eingeht, dies auf nicht ganz klarer Rechtslage zu tun«.
Nicht geklärt sei demnach unter anderem, ob es sich wirklich um eine verbotene Einfuhr handele, da der Tanker nicht aus eigenem Antrieb Deutschland angesteuert hatte. Zudem könnten die bisherigen Eigentümer der Ladung aus Saudi-Arabien oder des Tankers rechtliche Schritte einleiten.
Die Europäische Union versucht seit Beginn des Ukraine-Kriegs, Russlands Rohstoffeinnahmen, die zur Finanzierung des Krieges dienen, zu minimieren. Als Strafmaßnahme wurden bereits 2022 Auslandskonten der russischen Zentralbank eingefroren. Ursprünglich wollte die EU die Gelder an die Ukraine für den Wiederaufbau umleiten. Aufgrund rechtlicher Bedenken schöpft Brüssel derzeit ausschließlich die Zinsen der russischen Staatsgelder ab, um Kiew zu unterstützen. dsa