nd-aktuell.de / 30.03.2025 / Kommentare / Seite 1

Falsche Anschuldigungen gegen Joakim Medin

Peter Steiniger zur Verhaftung des schwedischen Journalisten Joakim Medin in der Türkei

Peter Steiniger
In der türkischen Metropole Istanbul demonstrieren Zehntausende für Demokratie und gegen Präsident Erdoğan.
In der türkischen Metropole Istanbul demonstrieren Zehntausende für Demokratie und gegen Präsident Erdoğan.

Für die schwedische Zeitung »Dagens ETC« wollte Joakim Medin aus Istanbul von den Massenprotesten nach der Verhaftung des Oppositionspolitikers Ekrem İmamoğlu berichten. Doch dazu kam es nicht, denn nun sitzt der freie Journalist selbst in einem türkischen Gefängnis. Die dortigen Behörden hatten Medin auf dem Schirm: Seine Verhaftung gleich bei der Ankunft begründete das gegen Andersdenkende gerichtete Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation der türkischen Regierung mit der angeblichen Zugehörigkeit des Schweden zu einer terroristischen Gruppe und »Beleidigung des Präsidenten«.

Den Hintergrund des Falls bildet ein Protest im Jahr 2023 vor dem Stockholmer Rathaus. Dabei war eine Puppe, die den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan imitierte, aufgehängt worden. Veranstaltet wurde die Aktion von der Gruppe Rojava-Komitees, die sich für die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete in Nordsyrien einsetzt, die seit Jahren von der türkischen Armee völkerrechtswidrig angegriffen werden[1].

Nach Angaben der Rojava-Aktivisten ist der Journalist weder bei ihnen organisiert, noch war er bei dem Stockholmer Protest dabei. Für eine Bewertung des Falls ist das nach demokratischen Normen aber unerheblich. Seit Jahren berichtet Medin kritisch über die politischen Zustände am Bosporus. Wie glaubwürdig Ankaras Behauptung ist, dass die Anklage gegen ihn »nichts mit den journalistischen Aktivitäten« zu tun habe, zeigen die dortigen Angriffe auf die Pressefreiheit und die massiven Repressionen gegen türkische Journalisten.

Die Redaktion von ETC, Politiker der linken Opposition, Journalistenverbände und Amnesty schlagen Alarm, fordern Medins sofortige Freilassung und Schwedens Regierung dazu auf, sich angesichts der dem Journalisten drohenden Prozessfarce klar hinter ihn zu stellen. Das Außenministerium in Stockholm betont, dass man den Fall sehr ernst nehme und den Verhafteten konsularisch betreue.

Große Illusionen braucht sich Medin nicht zu machen. In seinem im Herbst 2023 erschienenen Buch »Die kurdische Spur« hat er selbst aufgezeigt, welche schmutzigen Deals Stockholm für ein Ja der Türkei zum schwedischen Nato-Beitritt einging. Erdoğans zu Terroristen abgestempelte politische Gegner sind nun auch im neuen Partnerland nicht mehr sicher[2].

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189788.nord-und-ostsyrien-rojava-geht-um-waffenstillstand-in-ganz-syrien.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168343.schweden-und-die-nato-pakt-mit-dem-teufel.html