nd-aktuell.de / 03.04.2025 / Kommentare / Seite 1

Kernfusion: Nicht geeignet für die Energiewende

Für Olaf Band lässt sich die Kernfusionstechnik nicht sinnvoll für die Energiewende einsetzen

Olaf Bandt
Plasmagefäß für das Kernfusionsexperiment »Wendelstein 7-X« im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik
Plasmagefäß für das Kernfusionsexperiment »Wendelstein 7-X« im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Immer wieder gibt es Medienberichte über »Weltrekorde« und »bahnbrechende Fortschritte« in der Fusionsforschung. Kernfusion als »Zukunftsenergie« scheint zum Greifen nah. Doch der tatsächliche Entwicklungsstand ist weit von diesen Versprechungen entfernt.

In acht Jahrzehnten Forschung ist die Kernfusion nicht über die Grundlagenforschung hinausgewachsen. Von Anfang an stand das Experimentierfeld besonders im Dienst militärischer Interessen. Der Fusionsforscher und »Vater« der Wasserstoffbombe, Edward Teller, untersuchte in den 40er Jahren jedoch bereits Möglichkeiten zur Stromerzeugung durch die Verschmelzung von Atomkernen. Dennoch ist es bisher nicht gelungen, mit Kernfusion mehr Energie zu gewinnen, als aufgewendet wird.

Es ist fraglich, ob es überhaupt möglich ist, die Aktivität der Sonne im großen Maßstab zu simulieren und damit Energie zu erzeugen. Eine aktuelle Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag bestätigt Zweifel an den Erfolgsaussichten der Fusionsforschung für die Stromproduktion. Zentrale technische Fragen etwa nach dem Material der Reaktorwände sind ungelöst. Im Inneren eines Fusionsreaktors herrschen ähnliche Bedingungen wie auf der Sonnenoberfläche. Es gibt bislang kein Material, das diesen extremen Belastungen standhalten könnte.

Auch die Brennstoffversorgung mit Tritium ist ungeklärt. Tritium kommt nur in winzigen Mengen in der Natur und als Nebenprodukt der Kernspaltung bei einigen Reaktortypen vor. Kernfusionsreaktoren müssten ihren Brennstoff daher im Betrieb selbst »erbrüten«. Es ist jedoch fraglich, ob die Selbstversorgung mit Tritium überhaupt technisch möglich ist.

Solange diese zentralen Fragen nicht beantwortet sind, sind alle Vorhersagen über die Nutzung der Kernfusion als Energiequelle Kaffeesatzleserei. Dass in dieser Hälfte des Jahrhunderts Strom aus einem Fusionsreaktor fließt, ist jedoch unrealistisch.

Für den Klimaschutz kommt die Technik in jedem Fall zu spät. Der Umbau des Energiesektors hin zur Klimaneutralität muss dann bereits abgeschlossen sein. In Kombination mit erneuerbaren Energiequellen wäre Kernfusion zudem ungeeignet. Denn ein zentrales Element der Energiewende ist die Umstellung auf flexible, intelligente Netze, um den Energiemix mit fluktuierenden Quellen zu steuern. Die Stromerzeugung durch Kernfusionstechnik würde jedoch dem überholten Grundlastprinzip entsprechen und wäre nicht kompatibel mit einem Energiesystem auf Basis von erneuerbaren Energien.

Trotz dieser Zweifel hat die sich findende Regierungskoalition aus Union und SPD angekündigt, die Fusionsforschung stärker fördern zu wollen. Das zuletzt von der FDP geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte die Förderung erst 2024 auf über eine Milliarde Euro bis 2029 erhöht. In meinen Augen herausgeworfenes Geld. Sinnvoll wären Investitionen in die Weiterentwicklung von Speichertechnologien, intelligente Netze und Energieeffizienzmodellen. Die vage Hoffnung auf eine unerschöpfliche Energiequelle lenkt ab von den notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und zur Sicherung der Energieversorgung im Hier und Jetzt.