Bands wie die Pixies, Depeche Mode oder die Smiths sind Dad-Bands, also Musikgruppen, die von 40- bis 50-jährigen Männern in deren Jugend angehört wurden und deren Musik sie bis heute für die einzig wahre halten. Dieses von Musikpsychologen so genannte Thomas-Gottschalk-Syndrom kommt durch eine Verkennung des Sozialisationseffektes von Popmusik in den 60er, 70er und 80er Jahren zustande. Die Musik, mit der man als Jugendlicher aufgewachsen ist, die einem Gemeinschaftserfahrungen bei der Dorfdisko beschert hat – genau diese Musik transportiert heute immer noch eine intensive Affekterfahrung. Daher neigen Dads dazu, ihre Musik zur besten Musik aller Zeiten zu erhöhen, weil ihnen neue Musik nicht dieselbe Erfahrung verschafft. Die Dads glauben, das liege an der mangelnden Qualität neuer Musik; tatsächlich liegt es aber daran, dass sie keine Jugendlichen mehr sind.
Dad-Band hat noch eine Bedeutung, die das Cambridge Dicitionary so beschreibt: »A group of older men who play music together in a band.« Meistens sind das Bands, die mehr oder weniger erfolgreich zusammen gespielt haben. Dann haben sie sich getrennt, weil sie erwachsen werden wollten. Viele Jahre später haben sie gemerkt, dass es einen gigantischen Markt für Dad-Bands gibt. Das liegt vor allem an den Algorithmen des Musikstreamings, das den Smiths hörenden Dads jetzt Bands in die Ohrstöpsel spült, die sie in ihrer Jugend nicht kannten, aber gern gekannt hätten. Und plötzlich haben diese Bands ein viel größeres Publikum, als sie es je hatten. Dann tun sich die alten Männer wieder zusammen und machen ein neues Album. The Loft sind so eine Band. Um 1980 herum gegründet. Vier junge, etwas introvertiert wirkende Männer, zwei Gitarren, ein Bass und Schlagzeug, tief beeinflusst von der Musik der 60er Jahre. Ihre 1984 Single »Why does the rain?« war 1984 ein Achtungserfolg. Sie gingen als Vorband von The Colourfield auf Tour. Und gerieten sich bei einem Auftritt im Hammersmith Palais derart in die Haare, dass sie sich dort in bester Tic-Tac-Toe-Manier noch auf der Bühne trennten. Die einzelnen Mitglieder der Band haben weiter Musik gemacht, blieben aber Insidertipps.
Ab 2006 hat die Band wieder Musik veröffentlicht, auf den neuen Fotos sieht man vier sympathische, grauhaarige beziehungsweise glatzköpfige Schluris. Das neue Album heißt »Everything changes, everything stays the same«. Das ist Dad-Musik, die sich unauffällig in die Erinnerungen an die tatsächliche Dad-Musik von damals einwebt und so tut, als wäre sie schon immer da gewesen. Jetzt mit Altmännercharme. Ein Best-Ager-Sauf-Song wie »Feel Good Now« schafft, was er im Titel verspricht. Und eine kleine Weisheit zur Dad-Musik gibt der Song auch her: »Think of all the good things you’ve got/ The future/ the past/The past is a tangled knot«. Der Gitarrenriff-Song »Dr Clarke» klingt wie eine Reminiszenz an »Dr Robert« von den Beatles. Und im Video sieht man alte Männer, die mit lebensgegerbter Weisheit in die Kamera lächeln und sich vorsichtig bewegen. Das neue Album von The Loft ist sehr empfehlenswert, wenn man sich heute so fühlen will wie früher, aber zu den Bedingungen von heute. Oder so.
The Loft: »Everything changes, everything stays the same« (Tapete Records)