In Sachsen-Anhalt hat die Mobile Opferberatung im vergangenen Jahr 281 rechte, queerfeindliche oder antisemitische Angriffe registriert, mit 414 direkt Betroffenen. Das entspricht einem Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zu den Zahlen von 2023. Seit Beginn des Monitorings vor 22 Jahren hat das Projekt nur im Jahr 2016 noch mehr einschlägige Gewalttaten[1] erfasst.
Besonders besorgt zeigt sich die Mobile Opferberatung[2] über die annähernde Verdopplung von Angriffen auf Kinder sowie den Anstieg rechter Gewalt gegen Jugendliche um etwa die Hälfte.
In etwa zwei von drei aller gemeldeten Fällen war Rassismus das Tatmotiv. Dabei war mehr als jede*r Vierte von rassistischer Gewalt Betroffene zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt[3]. »Eltern, die vor Kriegen und Terror fliehen mussten und auf Sicherheit für ihre Kinder hofften, fragen sich zunehmend, ob sie Sachsen-Anhalt verlassen müssen«, heißt es in der Jahresbilanz.
Als »Zäsur« bezeichnet die Mobile Opferberatung den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 mit sechs Toten. Seitdem habe sich die Landeshauptstadt zu einer »Gefahrenzone insbesondere für muslimisch gelesene Menschen« entwickelt. Sie seien durch die rassistische Instrumentalisierung und die darauffolgenden »Resonanztaten«[4] gleich mehrfach betroffen. Während die Mobile Opferberatung in Magdeburg schon vor dem Anschlag mindestens einen rassistischen Angriff pro Woche verzeichnete, registrierte das Projekt allein zwischen 20. und 31. Dezember zehn solcher Taten.
Rechte Angriffe auf politische Gegner*innen haben sich dem Projekt zufolge im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht. Auch bei antisemitisch motivierten Angriffen verzeichnete die Mobile Opferberatung einen deutlichen Anstieg. Einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnung vermeldete die Beratungsstelle bei queerfeindlichen Gewalttaten.
Neue neonazistische Jugendgruppen nahmen im vergangenen Jahr vor allem »Christopher Street Day« Veranstaltungen zum Anlass für größere Mobilisierungen. In ihrer Jahresbilanz warnt die Mobile Opferberatung auch vor der wachsenden Gefahr rechten Terrors durch diese Gruppen mit Namen wie »Deutsche Jugend zuerst« (DJZ) oder »Junge Nationalisten« (JN)[5].
Stefan Gebhart, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt, kritisiert angesichts der steigenden Zahlen das Verhalten der Landesregierung: »Jahr für Jahr drohen Einsparungen in den Verbänden und Vereinen, die sich für Migrantinnen und Migranten einsetzen. Demokratieförderung und politische Bildung werden durch die Landesregierung immer kleiner gespart«, so der Linke-Politiker. »Der zunehmende Rassismus bedroht die Zukunft des Landes, das hat die Landesregierung noch immer nicht verstanden!«
Die Daten der Mobilen Opferberatung entstammen Fällen, die das Projekt selbst betreute sowie Polizei- und Pressemeldungen. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl rechter Angriffe deutlich höher liegt. Bei seiner Einordnung der Gewalttaten folgt das Projekt an den Kriterien des Verbands für Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, der sich für eine Vergleichbarkeit auch an der Definition des Bundeskriminalamts zu »Politisch motivierter Kriminalität – rechts« orientiert. Wegen unterschiedlicher Meldeverfahren unterscheiden sich die Zahlen dennoch.