Ehemals Küstriner Straße 9, heute in etwa Franz-Mehring-Platz 2 in Friedrichshain gegenüber dem nd-Gebäude: Dort lebten Ernst und Luise Perzel in einer Dienstwohnung auf dem Betriebsgelände der Berliner Holzkontor AG. Dort versteckte der Kommunist in der Nazizeit[1] Genoss*innen, dort half das Ehepaar Perzel französischen Zwangsarbeiter*innen, dort wurde Perzel 1944 von der Gestapo verhaftet. Dort verlegte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am Donnerstag einen Stolperstein, um den Widerstandskämpfer zu würdigen.
»Am Tag der Verhaftung war meine Großmutter anwesend – und ich«, sagt Klaus Grunske bei der Stolperstein-Verlegung[2] zu »nd«. Grunske ist der Enkel der Perzels. Seine Eltern lebten ebenfalls in der Küstriner Straße 9. Sechs Jahre war Grunske alt, als die Gestapo am 15. April 1944 das Haus seiner Großeltern durchsucht und seinen Großvater mitgenommen hat.
Der Grund für die Verhaftung: Perzel war KPD-Mitglied und aktiv im illegalen Widerstand[3]. Die DDR-Betriebszeitung »WF-Sender«, Organ der Leitung der Betriebsorganisation der SED im VEB Werk für Fernsehelektronik, erinnerte im September 1983[4] an den 1890 geborenen Widerstandskämpfer. »Nach der faschistischen Machtübernahme erwiesen sich das weitläufige Gelände, die Dienstwohnung als ein verhältnismäßig sicherer Ort für illegale Zusammenkünfte«, so die Betriebszeitung. Genoss*innen seien etwa als Kunden getarnt worden und man habe »zur Emigration gezwungene Genossen« auf diese Weise einige Tage verbergen können.
In der Wohnung der Perzels habe sich eine illegale Widerstandsgruppe gebildet. »Die gute konspirative Arbeit des Genossen Perzel führte dazu, dass die Verhaftung dieser aktiven Widerstandsgruppe erst bei der zweiten großen Aktion der Gestapo im Jahre 1944 gegen die illegal kämpfende Berliner KPD-Parteiorganisation erfolgte.«
Einige Tage nach der Verhaftung wurde der Familie mitgeteilt, dass Ernst Perzel sich in seiner Zelle im Polizeipräsidium am Alexanderplatz erhängt habe und am 19. April 1944 tot aufgefunden worden sei. Seine Familie habe durchsetzen können, die Leiche zu sehen, erzählt Enkel Klaus Grunske. Sie habe Spuren von Misshandlung aufgewiesen. »Er ist wahrscheinlich beim Verhör erschlagen worden«, sagt Grunske. Auch das Bezirksamt Friedrichshein-Kreuzberg hält es laut einer Pressemitteilung für »naheliegend, dass er an den Folgen von Folter starb, er also im Gefängnis ermordet wurde – wahrscheinlich, weil die Gestapo beim Verhör versuchte, Namen von Parteigenoss*innen aus Ernst Perzel herauszupressen«.
»Am Tag der Verhaftung war meine Großmutter anwesend – und ich.«
Klaus Grunske Enkel von Ernst Perzel
Das Ehepaar Perzel unterstützte während des Zweiten Weltkriegs auch französische Zwangsarbeiter*innen, die im Holzkontor arbeiten mussten. »Die waren bei meinen Großeltern in der Wohnung, aber auch meine Eltern haben sie in ihrer Wohnung im Vorderhaus versorgt«, so der inzwischen 87-jährige Enkel Grunske.
Dass nun durch einen Stolperstein an seinen Großvater erinnert wird, »das bedeutet mir sehr viel«, sagt Grunske. Überhaupt sei es wichtig, dass durch die Stolpersteine an die »Tausenden erinnert wird, die verdeckt gekämpft haben«. Denn heutzutage werde beim Widerstand gegen die Nazis hauptsächlich an die Hitler-Attentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gedacht und kaum an Kommunisten. »In der DDR war es genau andersherum«, sagt Grunske. »Mutig und kühn, wie Genosse Ernst Perzel sein ganzes bewußtes politisches Leben führte, verhielt er sich auch bei seiner Verhaftung. Seine Standhaftigkeit für die Sache der Arbeiterklasse beglich er 1944 mit dem Höchsten, was er zu geben bereit war, mit dem Leben«, heißt es in der Zeitung »WF-Sender«.