Und, fühlen Sie sich noch wohl mit Ihrem Google-Account?
Einige werden jetzt mit den Schultern zucken und sich auch in Zukunft wenig Gedanken darüber machen, wieviel das Unternehmen über sie weiß, dessen Internetsuche, Mail-Service, Karten-App sie benutzen. Oder wissen könnte, wenn sich jemand die Mühe machte. Andere finden vielleicht befremdlich, dass Google-Chef Sundar Pichai gemeinsam mit den Chefs von Meta (Facebook), Amazon und Apple bei Trumps Amtseinführung auf der Bühne saß[1]. Und wie andere Tech-Unternehmer sehr viel Geld für dessen Wahlkampf[2] gespendet hat. Microsoft gehört auch dazu. Nicht schön, aber wirkte sich auch nicht direkt auf unseren digitalen Alltag aus.
Bis Google[3] den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenannte, der ›Black History Month‹ kürzlich aus den Google-Kalendern verschwand und die Phrase ›Impeach Trump‹ (klagt Trump an) nicht mehr wie andere in der Suche automatisch vervollständigt wurde, sobald die ersten Buchstaben getippt waren. Ähnliche Beispiele finden sich für andere US-Tech-Unternehmen. Nicht alle lassen sich eindeutig auf den Regierungswechsel zurückführen, aber mit dem netten Laden von früher, mit dem alten Google-Motto »Don’t be evil«[4] hat das alles wirklich überhaupt nichts mehr zu tun.
Wie weit diese Unternehmen noch gehen, werden wir sehen. Ob die Daten, die sie von uns haben, vielleicht in Zukunft bei der Einreise in die USA eine Rolle spielen, bleibt abzuwarten. Für manche, wie gesagt, wird das alles nichts ändern, aber viele spüren spätestens jetzt eine Art ansteigendes Unwohlsein bei der Benutzung der vielen digitalen Dienstleistungen von Unternehmen, die offensichtlich überhaupt keine Schwierigkeiten mit Trumps Politik haben.
Gleichzeitig ist das Problem grundsätzlich ja nicht neu. Alle paar Jahre gibt es Entwicklungen, die Aufrufe nach sich ziehen, ein besserer digitaler Mensch zu werden. Die Enthüllungen von Edward Snowden[5] über die Massenüberwachung der Geheimdienste, der Skandal um Cambridge Analytica[6], der Mangel an geeigneten Tools für das Online-Leben während der Pandemie und die Frage, ob Zoom in Schulen und Behörden akzeptabel war oder nicht.
Wir sollten uns an die Zeit erinnern, als wir anfingen, das Auto stehen zu lassen. Irgendwann war es einfach nicht mehr cool, mit dem alten Diesel in der Stadt unterwegs zu sein.
Es gibt dann regelmäßig Sammlungen von alternativen Tools und Suchmaschinen, die uns beim Umsteigen zu Alternativen helfen sollen. So auch jetzt wieder. Manchen geht es um europäische Alternativen[7], anderen ist Freie Software[8] oder gute Verschlüsselung[9] wichtig. Aktuell gibt es auch viele Tipps, wie Geräte und Daten bei der Einreise in die USA[10] geschützt werden können. Der Haken ist, dass sich die wenigsten Menschen zuhause hinsetzen, um mithilfe dieser Listen ihre digitalen Gewohnheiten komplett umzukrempeln. Ich biete schon sehr lange Menschen Unterstützung an, die darüber nachdenken, und ich kenne den Gesichtsausdruck meiner Gegenüber, wenn ich relativ einfache Dinge wie den Wechsel der Standard-Suchmaschine vorschlage. Manche sind höflich und beteuern, dass sie es mal versuchen werden, andere erklären, dass sie ja gern wechseln würden, aber die Familie / Kolleg*innen / Kegelclub-Mitglieder wären niemals dazu zu bewegen, etwas anderes als WhatsApp zu benutzen. Und ich verstehe das. Irgendwer macht immer nicht mit beim Wechsel und ist es das wert, wenn hinterher die Hälfte fehlt? Wir haben alle genug andere Probleme und nicht die Zeit, uns an Tools zu gewöhnen, die dann doch nicht so sind wie das, was wir gewohnt sind. (Das diese Tools sich im Laufe der Zeit auch immer mal verändert haben und anfangs noch ganz anders aussahen: geschenkt.)
Vielleicht sollten wir uns in die Zeit hineinversetzen, als wir anfingen, das Auto stehen zu lassen. Irgendwann war es einfach nicht mehr cool, mit dem alten Diesel in der Stadt unterwegs zu sein. Wir brauchen nicht-kommerzielle Software, die so gut aussieht wie manche elektrischen Lasten-Fahrräder. Denn es ist ja so: Klar können Fahrräder mit Autos nicht wirklich mithalten. Autos sind schneller, sie halten trocken und warm und es passt sehr viel Zeug rein. Trotzdem fahren inzwischen so viele lieber Fahrrad, dass immer mehr Städte die Parkplätze durch Fahrradstreifen ersetzen und das schicke und unfassbar teure Rennrad inzwischen das Angeber-Auto doch ganz schön verdrängt hat. Es ist nicht so bequem, aber wir wollen inzwischen einfach lieber radfahren. Weil es besser ist. Für uns, fürs Klima, für die Städte. Wie kam es dazu? Weil immer mehr immer häufiger das Rad genommen haben und mit der Zeit auch die Rahmenbedingungen besser wurden. Da ist noch viel Luft nach oben, aber es bewegt sich.
Diesen Impuls brauchen wir auch für unseren digitalen Alltag. Auch dieser Wechsel ist nicht so richtig bequem, aber dafür müssen wir unser digitales Auto ja auch nicht gleich komplett verschrotten. Es reicht ja, wenn wir uns langsam auf den Weg machen und hier und da etwas ändern. Und je mehr wir sind, desto mehr wird die politische Notwendigkeit entstehen, uns digitale Radwege einzurichten, also die digitale Infrastruktur, die wir brauchen, um nicht auf die kommerziellen Produkte angewiesen zu sein. Die kosten zwar oft nichts, aber sie sammeln alle unsere Daten ein und machen sie zu Geld. Hier gilt aber wie überall sonst: gesellschaftlich notwendige Infrastruktur darf kein Geschäftsmodell sein. Wir wollen digitale Alternativen, die einfach zu benutzen sind und unseren Alltag nicht an ein Unternehmen verkaufen, das beim nächsten Autokraten mit am Tisch sitzt und die perfekte Überwachung der gesamten Gesellschaft dabei hat. Deswegen muss digitale Infrastruktur eine öffentlich Aufgabe sein. Und zwar nicht nur die Glasfasern, sondern auch Messenger, Mail-Provider, Karten-Apps. Keine staatlichen Apps, aber mit Steuergeldern finanziert. Von selbst wird es das nicht geben, deswegen müssen wir sie einfordern, genauso wie die besseren Radwege, und die Alternativen aber auch schon ausprobieren.
Jac sm Kee, eine Netzaktivistin aus Malaysia, beschrieb sich bei einer Veranstaltung des Prototype-Funds kürzlich in Berlin als digitale Vegetarierin[11] und meinte damit, dass sie sich irgendwo in der Mitte zwischen den Fleischfresser*innen (die nehmen alles) und den Veganer*innen (nur feinstes open source) befindet. Sie versucht darauf zu achten, was sie benutzt, macht aber auch Kompromisse. Das geht mir genauso. Diese Kolumne schreibe ich mit einem Mac, aber in der Textverarbeitung Libre Office. Je mehr wir sind, die andere Kalender, andere Karten-Apps, andere Browser oder Mailanbieter benutzen, desto mehr wird sich bei diesen Alternativen verbessern. Und manche sind ja auch jetzt schon besser. Probieren Sie’s aus!