nd-aktuell.de / 07.04.2025 / Politik / Seite 1

Prozess gegen »Kontext«: Teure Niederlage für die Pressefreiheit

»Kontext« muss ehemaligem AfD-Mitarbeiter Schadensersatz zahlen

Peter Nowak
Die Wochenzeitung im damals neuen Layout von 2014.
Die Wochenzeitung im damals neuen Layout von 2014.

Die kleine linke Wochenzeitung »Kontext« aus Südwestdeutschland ist in den Hochzeiten des Widerstands gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 gegründet worden und informiert seitdem über außerparlamentarische Themen in Südwestdeutschland. Ein Schwerpunkt der Berichterstattung ist auch der Kampf gegen rechts innerhalb und außerhalb der Parlamente. Seit sieben Jahren ist »Kontext« deshalb aber auch mit einem Rechtsstreit beschäftigt, den die Redaktion Ende März verloren hat.

»Kontext« hat im Mai 2018 einen Artikel veröffentlicht, der Auszüge aus Facebook-Chats enthielt, die ein damaliger Mitarbeiter eines Landtagsabgeordneten der AfD in Baden-Württemberg unter anderem mit Mitgliedern seiner Partei, der NPD und rechten Burschenschaften geführt hatte. Der Mann ging sofort nach der Veröffentlichung juristisch dagegen vor.

Die Echtheit der Chat-Protokolle bestritt der Kläger nicht, behauptete allerdings, die rassistischen und menschenfeindlichen Äußerungen, die »Kontext« veröffentlichte, seien manipuliert worden. Die angeblich unmanipulierten Chats konnte oder wollte er aber nicht zeigen: Alle beteiligten Kommunikationspartner hätten diese gelöscht. Das Landgericht Mannheim urteilte schließlich zu seinen Gunsten[1].

Dem mochte das Oberverwaltungsgericht Karlsruhe aber nicht folgen und gab der »Kontext«-Redaktion im Februar 2019 zunächst recht. »Mit Rücksicht auf die Diskussion um rechtsextreme Bestrebungen im Umfeld der AfD leisten die beanstandeten Presseartikel einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage«, erklärte das Gericht in der Urteilsbegründung und stärkte der Wochenzeitung damit sogar den Rücken.

Doch der ehemalige AfD-Mitarbeiter klagte weiter und bekam jetzt vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main vollständig recht. Das Gericht spricht dem ehemaligen AfD-Mitarbeiter nicht nur einen Schadenersatz in Höhe 25 000 Euro plus Zinsen zu, weil ihn die Redaktion in dem Artikel namentlich genannt hatte. Die Zeitung muss auch sämtliche Kosten des Verfahrens tragen. Die haben sich verdoppelt, weil das OLG den Streitwert des Verfahrens auf 480 000 Euro erhöht hat.

Das OLG hat keine Revision zugelassen. Dagegen kann die Redaktion zwar mit einer Beschwerde vorgehen, prüft aber zunächst mit Jurist*innen den möglichen Erfolg. Schon das jetzige Urteil kann für die kleine Redaktion existenzbedrohend sein. Deshalb hat »Kontext« eine Spendenkampagne[2] begonnen.

Das OLG hatte von der verantwortlichen »Kontext«-Redakteurin auch verlangt, zu erklären, woher die Redaktion die Chatprotokolle bekommen habe. Die lehnte das Ansinnen mit Verweis auf den journalistischen Quellenschutz aber ab. Das kritisierte nach dem Urteil der bekannte Kölner Investigativ-Journalist Günter Wallraff, der die Pressefreiheit gefährdet sieht. »Wenn die Gerichte die Preisgabe von Informanten fordern und Quellenschutz kriminalisieren, zerstören sie den Kern der investigativen Recherche.« Auch für die Juristin und langjährige SPD-Politikerin Hertha Däubler-Gmelin ist das Urteil weder inhaltlich noch formal überzeugend. Ihr Fazit: »Es sollte so nicht stehen bleiben«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1096411.prozess-gegen-eine-herbe-niederlage-fuer-die-pressefreiheit.html
  2. https://www.kontextwochenzeitung.de/ueber-uns/kontextunterstuetzer.html