Die Ratlosigkeit über die Zollpolitik der US-Regierung unter Donald Trump[1] ist weiterhin hoch. »Wir sind immer noch dabei, die Auswirkungen zu berechnen«, sagte Michał Baranowski, Staatssekretär beim polnischen Wirtschaftsministerium, beim EU-Ratstreffen in Luxemburg am Montag. Klar sei aber, dass der Schaden enorm sei. Unter dem Vorsitz Polens trafen sich die Ministerinnen und Minister der Mitgliedsstaaten, um über eine gemeinsame Antwort auf die neuen US-Zölle zu beraten.[2]
Gegenstand der Debatte waren unter anderem Vorschläge, Steuern auf US-Techkonzerne wie Google, Facebook und Co. zu erhöhen. Doch beschlossen wurden sie nicht. Vielmehr habe man über »die Möglichkeit weiterer verhältnismäßiger Gegenmaßnahmen gesprochen, falls diese erforderlich sein sollten«, wie ein Pressesprecher des EU-Rates mitteilte. »Plan A ist, Verhandlungen zu führen, Plan B ist es, Antworten in der Hinterhand zu haben«, sagte Baranowski.
»Plan A ist, Verhandlungen zu führen, Plan B ist es, Antworten in der Hinterhand zu haben.«
Michał Baranowski Staatssekretär beim polnischen Wirtschaftsministerium
Einigen konnte man sich dagegen auf Maßnahmen, die bereits besprochen worden waren: Mitte April und in einem zweiten Schritt Mitte Mai sollen EU-seitige Zölle auf zuvor von der US-Regierung verhängte Einfuhrpreise für Stahl und Aluminium in Kraft treten, sagte Baranowski. Um sich über die Folgen und mögliche Maßnahmen auszutauschen, etwa mit Blick auf Automobile, sollen die Beratungen in den nächsten Wochen fortgesetzt werden, erklärte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič.
Zu den möglichen Maßnahmen zählt auch das sogenannte Anti-Coercion Instrument (ACI), das dem Schutz vor wirtschaftlichem Zwang dienen soll. Mit dem erst 2023 beschlossenen Instrument kann die EU etwa Einfuhrzölle aus bestimmten Ländern wie den USA erheben, die Hürden für Importlizenzen erhöhen sowie Einschränkungen bei Investitionsvorhaben oder Dienstleistungen beschließen. Für den Einsatz des ACI sprachen sich am Montag der französische Handelsminister Laurent Saint-Martin und der noch amtierende deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck aus.
Dafür aber müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Etwa dass »Drittländer in die legitimen souveränen Entscheidungen der Union oder eines Mitgliedstaats eingreifen«. Ob das im Fall der Zollpolitik Trumps zutrifft, ist unklar. Eine Frage dazu wollte EU-Handelskommissar Šefčovič nicht beantworten. Und bis entsprechende Maßnahmen geprüft und eingeleitet werden, vergeht Zeit.
Die Auswirkungen der Zollmaßnahmen und der Gegenmaßnahmen können dramatisch sein. Wirtschaftsexpert*innen rechnen mit einer steigenden Inflation für die betreffenden Produkte. Sie dürfte auch Folgeeffekte in anderen Bereichen nach sich ziehen. Zudem wächst die Sorge vor einer Rezession in den USA und einer vertieften Krise in der europäischen Industrie, die auf Exporte nach Amerika angewiesen ist.
Auch vor dem Hintergrund zeichnet sich ein Wettkampf um neue Absatzmärkte ab. »Es ist klar, dass wir neue Absatzmärkte brauchen«, mahnte der konservative österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer an.
Habeck warnte in dem Zusammenhang vor nationalen Alleingängen. »Unsere Stärke kommt aus der Gemeinsamkeit«, unterstrich Habeck. Und er sprach sich für neue Handelsabkommen aus, erwähnte etwa eine Intensivierung der Kontakte mit Japan, Indonesien und Indien. Und diskutiert werde auch eine Assoziierung zum Freihandelsabkommen im Pazifik, wie er erklärte. Es ist seit 2022 in Kraft und wurde zwischen China, Japan, Südkorea, Indien, Australien und weiteren Ländern abgeschlossen.
Vergangene Woche hatte die EU bei einem Gipfel in Usbekistan eine strategische Partnerschaft mit zentralasiatischen Ländern angekündigt. Als Trump die neuen Zölle bekannt machte, war EU-Handelskommissar Šefčovič in China, um über Handelsbeziehungen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten zu beraten. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, will die EU indische Importbarrieren für europäische Autos wegverhandeln. Hier deuten sich intensivere Handelsbeziehungen an. »Dadurch sind unsere Probleme mit China aber nicht weg«, unterstrich er.
Doch gerade über Importe aus China und Indien klagen die europäischen Industrieverbände seit Jahren, insbesondere in der Stahlindustrie. Aufgrund von Überkapazitäten und einer in den Augen der Unternehmen unfairen Subventionspolitik drückten Dumpingpreise auf ihre Profitmargen. Auch das ist ein Hintergrund für die aktuelle Industrieflaute in Deutschland. Wenn die Hürden für Warenflüsse aus China und Indien in den US-Markt steigen, wird sich der Druck auf den EU-Binnenmarkt erhöhen.
Um entsprechende Handelsbeschränkungen zu diskutieren, traf sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen parallel zum Ratsgipfel in Luxemburg mit Vertreter*innen der europäischen Stahl- und Metallindustrie. Mit Blick auf die Verhandlungen mit den USA erklärte sie, dass die Kommission eine Null-Zoll-Politik für Industrieprodukte angeboten hatte. Das betrifft neben Autos auch chemische Produkte und andere industrielle Fertigungen, ergänzte EU-Handelskommissar Šefčovič.
Darüber hinaus sucht man in Europa nach einer gemeinsamen Stimme. Politisch gehen die Interessen weit auseinander. Einigkeit gab es nur darüber, dass es weitere Verhandlungen geben muss, um eine Eskalation zu verhindern.