In Betrieben werden Betriebsräte gewählt. So steht es – etwas verklausuliert zwar, aber sehr bestimmend – ganz am Anfang des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), das die Mitbestimmung in Unternehmen regelt. Und weiter hinten in dem Gesetzestext steht in Paragraf 119: Mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Betriebsratswahl behindert oder die Tätigkeit eines Betriebsrates stört[1].
In guter Regelmäßigkeit berichtet »nd« über zweifelhafte Vorgänge in Berliner Unternehmen[2], die sich zumindest am Rande der Legalität bewegen dürften. Dennoch gilt auch für das Jahr 2024, was »nd« für 2023 und die Jahre davor berichtet hatte[3]: Gegner*innen von Betriebsräten müssen die Gerichtssäle nicht fürchten – auch in Berlin nicht.
Wie die Berliner Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mitteilt, spielt der Straftatbestand Betriebsratsbehinderung »im Alltag einer Strafverfolgungsbehörde nur eine untergeordnete Rolle«. Wie die Behörde »nd« weiter mitteilt, wurden im vergangenen Jahr lediglich zwei Verfahren mit Bezug zum Paragrafen 119 geführt. In beiden Fällen blieben die mutmaßlichen Täter*innen unbekannt, beide Verfahren wurden eingestellt. Insgesamt seien in den letzten fünf Jahren 25 Verfahren im Zusammenhang mit gestörten Betriebsratswahlen oder der Behinderung von Betriebsratsarbeit geführt worden. Laufend ist nur noch ein Verfahren aus 2022. Hier hat die Staatsanwaltschaft tatsächlich zum ersten Mal überhaupt Anklage wegen unrechtmäßiger Eingriffe in die Betriebsratsarbeit bei der Einzelhandelskette Foot Locker erhoben.
2023 hatte der damals rot-grüne-rote Senat die Zuweisung aller Verfahren mit Verbindung zum Paragrafen 119 (BetrVG) gebündelt an eine Spezialabteilung festgelegt. Die amtierende schwarz-rote Koalition hat die Fortführung dieser Regelung beschlossen.
Die Rechtsvorschriften gelten als für betroffene Betriebsräte mit hohen Hürden verbunden. Da es sich bei Verstößen gegen Paragraf 119 BetrVG um ein sogenanntes Antragsdelikt handelt, darf die Staatsanwaltschaft nur ermitteln, wenn die Geschädigten oder eine Gewerkschaft selbst Strafantrag stellen. Da dies womöglich auf viele abschreckend wirkt, sich in Konfrontation mit seinem Arbeitgeber zu begeben, hatte die alte Ampel-Bundesregierung eine Reform zum Offizialdelikt vorbereitet, darüber aber durch ihr Aus nicht mehr entschieden. Die Staatsanwaltschaften hätten dann von Amts wegen ermitteln müssen, also immer dann, wenn sie durch anonyme Hinweise oder Presseberichte auf mögliche Verstöße aufmerksam werden.
Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz will dennoch an der gebündelten Zuweisung festhalten. »Bei Delikten, die kein besonders hohes Fallaufkommen bei der Staatsanwaltschaft haben, kann eine Bündelung schon deshalb sinnvoll sein, um überhaupt eine Expertise für diese aufzubauen«, teilt eine Sprecherin »nd« mit. Dies träfe auf die Delikte nach dem BetrVG zu. Von der Berliner Staatsanwaltschaft klingt das etwas anders. Wie ein Sprecher erklärt, sehe man aufgrund des geringen Fallaufkommens und wegen nicht außergewöhnlicher Komplexität der Fälle, »keine Notwendigkeit besonderer Schulungsmaßnahmen«.