Diesen Satz hört man nicht häufig von Unternehmensfunktionären: »Ich bin glücklich, dass das Stromnetz nicht oft in der Berichterstattung vorkommt«, sagt Severin Fischer (SPD), in seiner Funktion als Staatssekretär in der Senatswirtschaftsverwaltung auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der rekommunalisierten Stromnetz Berlin GmbH. Denn das Stromnetz soll lautlos und unfallarm funktionieren.
Im vergangenen Jahr ist das, glaubt man dem Jahresbericht des Unternehmens, weitestgehend gelungen: Gerade mal acht Minuten Stromausfall gab es 2024 im Schnitt pro Haushalt. Bundesweit lag der Wert in der Vergangenheit fast doppelt so hoch. Bei den Mitarbeitern knackte man erstmals die Marke von 2000 Beschäftigten. Die Bilanz weist einen Gewinn von stolzen 150 Millionen Euro aus. »Ein Rekord«, wie Fischer sagt. »Viele haben gesagt, dass die Rekommunalisierung für das Land schwierig wird – das Gegenteil ist der Fall.« Stattdessen zahle das Stromnetz nun eine stattliche Konzessionsabgabe an das Land.
Die schwarzen Zahlen haben allerdings ihren Preis – und den müssen die Verbraucher zahlen. Die Netzwerkentgelte sind im vergangenen Jahr gestiegen. Durchschnittlich 3,60 Euro mehr mussten Berliner Haushalte im Vergleich zum Vorjahr zahlen[1]. Grund dafür sei der Wegfall eines Bundeszuschusses an die Übertragungsnetzwerkbetreiber, so Fischer.
Dass es bei den bisherigen Preisen bleibt, ist unwahrscheinlich. Denn das Stromnetz soll weiter massiv ausgebaut werden. Bis 2033 soll die Kapazität des Netzes nahezu verdoppelt werden, von derzeit 2,2 Gigawatt auf 4,1 Gigawatt. Notwendig machen das aber nicht die Haushalte, deren Verbrauch zuletzt konstant blieb. Verantwortlich ist vielmehr die Industrie. Hier steigt der Bedarf an Strom massiv: Der Umstieg auf erneuerbare Energien bedeutet in vielen Branchen zunächst einen Umstieg auf Strom. Neben E-Autos gilt das beispielsweise auch für Heizanlagen, die Strom in Wärme umwandeln.
Dazu kommt die Digitalisierung, die den Stromverbrauch weiter in die Höhe treibt. Tatsächlich in einem Maß, das überrascht: Allein die drei bestehenden Rechenzentren in Berlin benötigen eine Netzlast von 130 Megawatt. Mit zehn weiteren schon im Bau oder in der konkreten Planung befindlichen Rechenzentren dürfte dieser Wert um weitere 697 Megawatt steigen – damit läge die Netzlast der Computer- und Serverfarmen auf einem Niveau, das der Hälfte des aktuellen Gesamtverbrauchs Berlins entspricht[2]. Für weitere 1128 Megawatt gebe es bereits Anfragen, sagt Erik Landeck, Geschäftsführer der Stromnetz GmbH.
Um den Bedarf zu decken, muss die Infrastruktur ausgebaut werden. In den kommenden zehn Jahren sollen insgesamt 24 neue Umspannwerke und Netzknoten in Betrieb genommen werden. Dazu kommen 6350 Kilometer Kabel, die ersetzt oder neu verlegt werden sollen. Allein die 650 Kilometer geplanten Hochspannungskabel »entsprechen fast der Länge unseres heutigen Netzes«, sagt Landeck.
Das dürfte einiges kosten. Bereits im vergangenen Jahr sind die Investitionen des Unternehmens auf 367 Millionen Euro gestiegen – eine Steigerung um knapp ein Drittel. Sie sollen weiter Jahr für Jahr steigen. Insgesamt sollen zwischen 2025 und 2029 2,9 Milliarden in die zahlreichen Strukturprojekte am Stromnetz fließen. Noch im Jahr 2025 sollen 185 Millionen Euro in den Neubau von Anlagen fließen, weitere 215 Millionen in die Erneuerung bestehender Anlagen.
Aus eigener Kraft kann das Stromnetz das trotz positiver Bilanz bei Weitem nicht stemmen. Der Senat muss einen Landeszuschuss zahlen. Zuletzt belief dieser sich auf 300 Millionen Euro. Von diesem Geld nimmt der Stromnetzbetreiber wiederum kostengünstige Kredite auf, für die er ohne den Zuschuss zu wenig Eigenkapital aufbringen könnte.
Staatssekretär Severin Fischer zeigt sich optimistisch, dass das trotz der schwierigen Haushaltslage weiter möglich sein wird. »Wir sind im Moment im Gespräch mit der Finanzverwaltung, in welchem Maß wir Eigenkapitalzuführungen leisten werden«, sagt er. Diese Gespräche seien allerdings »zugegeben nicht einfach«. Er gehe aber davon aus, dass der Landeszuschuss auch im nächsten Doppelhaushalt ausreichen werde, um das Stromnetz mit genügend Eigenkapital auszustatten.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190465.energie-berliner-stromnetz-ausbau-unter-hochspannung.html