Der Koalitionsvertrag bleibt im Kapitel Gesundheit und Pflege an vielen Stellen vage und enthält jede Menge Willensbekundungen in Teilbereichen wie Organspende über Sucht bis hin zu den Gesundheitsberufen. Regelrecht aus der Zeit gefallen wirkt er beim Thema Prävention: Hier setzt man auf mehr Regel-Untersuchungen von Kindern und auf freiwillige Angebote in den Kommunen – kein Wort von Prävention über geänderte Verhältnisse, wie niedrigere Steuersätze für gesunde Lebensmittel.
Eine der konkretesten vorgesehenen Veränderungen ist die Stärkung des Primärarztsystems in der ambulanten Versorgung[1]. Ein solches System, in dem vorrangig die Hausärzte über nötige Facharzttermine entscheiden, setzt darauf, den Mangel an Kapazitäten über eine bessere Patientensteuerung zu bewältigen. Damit die Hausärzte hier nicht überfordert werden, sollen immerhin die ärztlichen Weiterbildungsmöglichkeiten in diesen Praxen gestärkt werden. So könnte zumindest von diesem Ende her der absehbaren Pensionierungswelle begegnet werden.
Bei anderen Schwerpunktthemen tritt die neue Koalition erst einmal auf der Stelle: So sollen die Beitragssätze für die gesetzlichen Krankenkassen zwar stabilisiert werden. Aber die geplante Kommission, die das Gesamtsystem einschließlich Neuerungen einschätzen und Maßnahmen vorschlagen soll, hat dafür bis zum Frühjahr 2027 Zeit. Ob diese Regierung so lange hält? Das einzige konkrete Plus aus Kassensicht: Es werden keine Versichertengelder für den Krankenhausfonds zweckentfremdet; hier soll auf das Sondervermögen Infrastruktur zurückgegriffen werden. Eine weitere, aus heutiger Sicht eher fragwürdige Finanzquelle[2] ist ein »höheres Beschäftigungsniveau«, nicht aber, wie häufig gerade von links gefordert, etwa eine höhere Beitragsbemessungsgrenze – und schon gar keine Bürgerversicherung, die auch für Einnahmen aus Kapital und Vermietung greifen würde.
Sehr vorsichtig wirkt auch das, was zunächst in Sachen Krankenhausreform vereinbart wurde. Auf jeden Fall soll nicht hinter die bisherigen Reformschritte zurückgegangen[3] werden, die fehlenden Verordnungen und Gesetze werden noch für dieses Jahr angekündigt. Jedoch wurde für den Wechsel in die teilweise Vorhaltefinanzierung (also ein Stück weg von den Fehlanreizen der Fallpauschalen) erst einmal ein Jahr mehr Zeit eingeräumt, was schon jetzt bei Klinikträgern Kritik auslöst, die das Konzept für nicht ausgereift halten. Auch die von Bundesländern lange geforderten Ausnahmen sollen etwa bei den Leistungsgruppen möglich sein, wenn sie »medizinisch sinnvoll« sind.
Für keinen der Bereiche gibt es einen ambitionierten Plan dazu, wie und woher die fehlenden Fachkräfte kommen könnten. Das trifft ebenso auf die Pflege zu, wobei hier eine große Reform, insbesondere für eine nachhaltige Finanzierung, angestrebt wird. Jedoch muss erst eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Stuhle kommen und insgesamt neun Schwerpunktthemen prüfen. Zu diesen gehören auch der Leistungsumfang sowie die Anreize für eine eigenverantwortliche Vorsorge. Schon diese Stichworte lassen bei Pflegebedürftigen wie ihren An- und Zugehörigen alle Alarmglocken läuten, auch wenn es andererseits um die Begrenzung von Eigenanteilen oder Angebote für »pflegerische Akutsituationen« geht. Immerhin soll diese Kommission ihre Ergebnisse noch in diesem Jahr vorlegen.
Für alle Bereiche gilt: Niemand in der neuen Bundesregierung kann sich hier auf Erkenntnisprobleme zurückziehen. Die Grundlagen, die Haken und Ösen des Gesundheitssystems und seiner rechtlichen Ausgestaltung sind allen Akteuren bekannt, erst recht dem möglichen künftigen CDU-Minister, Tino Sorge. Er hatte sich gerade zuletzt als präzise attackierender Gegner Lauterbach’scher Positionen profiliert.