Gehen. Ausgehen. Schwimmen gehen[1]. Ich will schwimmen gehen, ausgehen mit dem Zweck, mich auszuschwimmen. Wir haben am ersten Donnerstag im April unseren nächsten Lesezirkel, weshalb der letzte Montag im März ein guter Tag ist, um den Erstling von Barbi Marković zu Ende zu lesen, der sich auf »Gehen« von Thomas Bernhard bezieht und aus Gehen »Ausgehen[2]« macht.
Während ich den Zug nehme, der mich in wenigen Minuten vom Berliner Hauptbahnhof an den Bahnhof Wannsee bringt, denke ich an A., die nicht mit schwimmen kommen kann, weil es Montag ist und nicht Dienstag, wo sie einen freien Tag gehabt hätte, aber am Donnerstag zum Lesezirkel kommen wird – wenn nicht wieder Streik ist[3]. Bei Streik gehe ich nicht zum Lesezirkel, weil die S-Bahnhaltestelle nachts zu weit entfernt liegt, um dorthin zu gehen und später dann noch einmal von dort durch die nächtliche Stadt zu mir nach Hause zu laufen.
Ich warte auf den Bus nach Kleinmachnow, wo ich einen Termin habe und lese über das Stehen an der Nachtbus-Haltestelle am Belgrader Slavia-Platz und denke, im Zentrum der serbischen Hauptstadt fahren Busse mit einstelligen Nummern und die mit dreistelligen Nummern fahren weit hinaus, während in Berlin alle Busnummern[4] dreistellig sind. Der 620er fährt von Wannsee nach Teltow, ich steige ein, wir biegen am ehemaligen Rasthof »Drei Linden« auf die Stadtautobahn und am ehemaligen Grenzübergang Drewitz-Dreilinden wieder ab, wo heute eine Pappmaché-Quadriga ihre goldenen Pferde ausreitet und etliche Firmen[5] residieren. Wir überqueren die Autobahn und tauchen in viel Natur[6] mit kleinen Häusern ein.
Gehen wir bald wieder schwimmen, schreibt A., die vergessen hat, dass ich montags nach meinem Termin ein Schwimmbad aufsuche, wohin sie mich gern begleitet hätte, wenn es ein Dienstag gewesen wäre. Ich nehme einen weiteren Bus, der gen Osten fährt, durch die Hohe Kiefer, die Förster-Funke-Allee, über den Teltow-Kanal bis an den Ahlener Platz, wo sich Bus und Gleise treffen und angemalte Sitzbänke wie versunkene S-Bahn-Waggons im Boden stecken.
Mit der S-Bahn geht es von Teltow nach Berlin, »in dieser Stadt sind wir verloren, und es hat keinen Zweck, sich länger in dieser Stadt aufzuhalten«, lese ich bei Barbi Marković, die es längst geschafft hat, Belgrad zu verlassen, und schon sind wir zurück aus Brandenburg, durch die Grenze aus Feldern und Kleingärten, die von Nord und Süd an den alten Mauerstreifen[7] reichen, dann folgen die Schlote der Stadtfabriken. Im ältesten Dorf Berlins[8] steige ich aus und gehe zum Bad, wo A. als Kind oft war, textet sie, während ich unter dicken Wolken über Löcher im Parkplatz stolpere.
Das Stadtbad Lankwitz[9] verfügt über abschließbare Umkleidekabinen, die Schuhhalterungen aufweisen. In der quadratischen Halle gibt es sechs 25-Meter-Bahnen, eine 60-Meter-Rutsche[10] und zwei Whirlpools. Ich schwimme und ruhe mich gründlich aus. Während ich die Schuhe an und ein Junge neben mir seine auszieht, lese ich, wie A. das Bad liebte: »Rutschen mit Papa, schwimmen im großen Becken, toben im Kinderbecken und entspannen mit Mama im Zusatzbecken.« Draußen regnet’s Strippen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190508.ueber-wasser-schwimmen-am-berliner-stadtrand.html