»Ich hatte überlegt Architektur zu studieren, aber als ich für eine Bewerbung an einem Pappmodell saß, dachte ich eigentlich nur: Ich will zurück zu meiner Werkbank«, sagt Hanna Paul zu »nd«. Bei der Suche nach Alternativen stieß die 19-Jährige auf die Ausbildung zur Holzbildhauerin. Seit einem halben Jahr lernt Paul an einer Holzbildhauerschule in Berchtesgaden im äußersten Süden Bayerns das Handwerk. Paul ist eine der deutschlandweit ersten Auszubildenden, die ein Stipendium bekommen. Seit 2024 haben sich die Begabtenförderungswerke, die sonst nur Studierende geförder[1]t haben, für die berufliche Bildung geöffnet. Paul wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert.
Das Kunsthandwerk, das Paul gerade noch lernt, wendet sie schon in die Praxis an: Als »nd« mit ihr spricht, arbeitet sie in ihrer Heimatstadt Lutherstadt Wittenberg für einen Kindergarten und schnitzt dort aus Robinie – »hartes Holz«, wie sie sagt – Figuren für einen Spielplatz. Dafür bekommt sie auch etwas Geld. Aber mit solchen kleinen Aufträgen eine schulische Ausbildung zu finanzieren ist unmöglich. Anders als in betrieblichen Ausbildungen ist Paul nicht an einen Betrieb angegliedert, sie bekommt folglich auch kein Ausbildungsentgelt. Kleinere Aufträge, Kindergeld und ein Zuschuss vom Großvater helfen ihr über die Runden zu kommen. Von der Rosa-Luxemburg-Stiftung bekommt sie 300 Euro Ausbildungspauschale und Ersatzleistungen im Monat, angelegt an das Schüler-Bafög.
»Aktuell fördern wir 20 Leute«, erklärt Adriana Yee Meyberg, Referentin für das Förderprogramm bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Von der Pflege, über Physiotherapie bis hin zu Kfz-Mechatronik sei aus vielen Bereichen etwas dabei. Auch rein schulische Ausbildungen, wie etwa die von Hanna Paul, werden gefördert. Die Ausbildung müsse aber staatlich anerkannt sein, so Yee Meyberg. Seit dem 1. April können sich noch bis zum 1. Mai Auszubildende für eine Förderung bei »Lux like Ausbildung«,[2] dem Programm der Stiftung bewerben. Dieses Jahr werden 30 weitere Stipendien an Bewerber*innen aus ganz Deutschland vergeben. Priorisiert werden sollen dabei Bewerber*innen, die noch keinen Abschluss haben.
Neben einer finanziellen Unterstützung ist ein Mentoring-Programm Teil des Stipendiums. Jede*r Stipendiat*in habe eine*n Mentor*in, die immer erreichbar sei, so Yee Meyberg. Dabei gehe es darum, die Auszubildenden bei ihren Problemen zu unterstützen. Seien es Probleme in den Betrieben, sei es Stress- und Zeitmanagement oder Prüfungsvorbereitung. Die Mentor*innen stehen dabei mit eigenen Erfahrungen zur Seite: Alle haben selber eine Ausbildung gemacht. Anders als viele andere Auszubildende, die insbesondere in betrieblichen Ausbildungen mit abwesenden Ausbilder*innen[3] zu kämpfen haben, sagt Paul, dass die Ausbildung sehr gut sei und die Meister hilfsbereit und sie viel lerne. »Wenn ich aber Probleme hätte, dann wüsste ich, dass da jemand ist, der mir den Rücken stärkt.«
Eine der Voraussetzungen dafür, um bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in den Genuss des Stipendiums zu kommen, ist sozial oder politisch aktiv zu sein. »Mit der materiellen Unterstützung soll den Auszubildenden die Chance gegeben werden, gesellschaftlich aktiv zu bleiben oder zu werden«, sagt Yee Meyberg. Neben regelmäßigen Treffen in Berlin gibt es dafür ein breites Angebot an politischer Bildung für die Stipendiat*innen: Workshops, Netzwerktreffen, Regionaltreffen, Bildungsreisen und Exkursionen.
In ihrer Heimatstadt Lutherstadt Wittenberg war Paul noch in der Linksjugend. Und auch in Berchtesgaden hat sie schnell Anschluss gefunden. Im konservativen Bayern gar nicht so einfach, wie sie »nd« berichtet. Aber jetzt will sie bei Wurzeltrieb mitmachen, einem Kollektiv, das Kunst und Kultur für alle greifbar und zugänglich machen will.
Auch wenn das Programm erst ein Jahr läuft, sei es schon jetzt ein voller Erfolg, sagt Referentin Yee Meyberg. »Die Rückmeldung der Stipendiat*innen bestätigt das.« Die Pilotphase des aus Mitteln des Bundesbildungsministeriums finanzierten Programms läuft noch bis Ende 2029. Dann soll es mit dem Ministerium und allen beteiligten Förderwerken evaluiert werden.
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