Die Pankower BVG-Fahrgäste erleben es gerade leidvoll: Auf über 18 Kilometern Länge fahren monatelang keine Straßenbahnen. Seit Anfang März sind Busse statt Bahnen im Einsatz auf der M1 nördlich des U-Bahnhofs Eberswalder Straße und auf der kompletten Linie 50. Inzwischen fahren auch für die M13 westlich der Prenzlauer Allee Ersatzbusse. Und das planmäßig noch bis Ende Juni.
Zunächst hatten die Berliner Verkehrsbetriebe den Ersatzverkehr mit viel zu wenig Kapazität angeboten. Die sowieso notorisch verspäteten, weil im Stau hängenden Ersatzbusse waren so überfüllt, dass sich mitfahrwillige Menschen körperliche Auseinandersetzungen geliefert haben sollen. Die Umstände sind sogar im Abgeordnetenhaus thematisiert worden, sodass die BVG sich zur Nachsteuerung genötigt sah. Es fahren jetzt mehr Busse, an den Verspätungen ändert das nichts. Fahrgäste berichten von Wartezeiten bis zu einer halben Stunde, bis dann endlich der Ersatzbus kommt.
Ungemach droht nun auch entlang großer Teile der Straßenbahnlinie 21. Diese fährt vom S-Bahnhof-Lichtenberg[1] über das Frankfurter Tor in Friedrichshain und den S-Bahnhof Rummelsburg bis in den Berliner Südosten nach Schöneweide. Schon länger bekannt ist, dass diesen Herbst der Abschnitt zwischen dem Friedrichshainer Wismarplatz und dem S-Bahnhof Rummelsburg wegen komplett verschlissener Gleise stillgelegt wird.
Im Jahr 2026 droht darüber hinaus die monatelange Einstellung des gesamten Südabschnitts der Linie 21 von Rummelsburg bis zum Bahnhof Schöneweide[2]. Auf knapp sechs Kilometern Länge werden dann überhaupt keine Bahnen fahren. Ab der Treskowallee am S-Bahnhof Karlshorst Richtung Süden fällt die 21 zwar weg, M17, 27 und 37 werden aber weiter fahren.
Vordergründig liegt das an anstehenden Bauarbeiten in der Ehrlichstraße im Karlshorster Prinzenviertel. Nach »nd«-Informationen plant die BVG Instandsetzungsarbeiten an den Gleisen, um sie weiter betriebsfähig zu halten. Auch diese Strecke ist bereits ziemlich in die Jahre gekommen. Seit mehreren Jahren ist die eigentlich nötige Grundinstandsetzung geplant, also ein praktisch kompletter Neuaufbau. Und so wird inzwischen in kurzen Abständen immer wieder der Bestand notdürftig geflickt, zuletzt im November 2024.
Dazu kommt noch der anstehende Bau eines neuen Wendegleises am Blockdammweg aus Richtung Friedrichshain. Es gibt zwar eine Wendeschleife, sie ist für die geplante neue Linie 22 nur aus der falschen Richtung nutzbar, also von Osten. Man bereite gerade die Vergabe der Bauleistungen vor, heißt es von der BVG dazu. Und: »Vor dem 2. Quartal 2026 ist nicht mit einer Inbetriebnahme zu rechnen.«
Eigentlich wäre der am stärksten genutzte Abschnitt zwischen Bahnhof Rummelsburg und Blockdammweg von diesen Bauarbeiten gar nicht betroffen, könnte also weiter von Straßenbahnen befahren werden. Tausende Bewohnerinnen und Bewohner in den in den letzten Jahren neu entstandenen Wohnungen hätten weiterhin eine komfortable Anbindung zur S-Bahn.
Doch dieser Abschnitt wird vom restlichen Netz komplett isoliert sein, sobald in der Ehrlichstraße gebaut wird. Denn wegen der im Herbst 2025 anstehenden Stilllegung der Gleise in der Boxhagener und Marktstraße in Friedrichshain wird es auch aus dieser Richtung keine Anbindung geben. Es wäre durchaus denkbar gewesen, die Gleise zwar für den Linienverkehr zu sperren, aber weiterhin als Betriebsstrecke zu nutzen. »Derzeit ist keine weitere Nutzung für Betriebsfahrten vorgesehen«, heißt es von der BVG auf Anfrage von »nd«.
Das kann sich durchaus als problematisch für das gesamte Straßenbahnnetz im Südosten erweisen. Sie ist dann nur noch über die Tramstrecke am Tierpark mit dem restlichen Netz verbunden. Sollte diese Strecke aus welchen Gründen auch immer gesperrt werden müssen, wäre der große Treptow-Köpenicker Netzteil komplett vom Rest abgeschnitten. Ein Inselbetrieb würde schnell für Probleme bei der Inbetriebhaltung der Straßenbahnwagen sorgen.
Dieser Zustand wird über Jahre anhalten. Weiterhin gibt es keine Signale, wann das seit Jahren laufende Planfeststellungsverfahren für die Neubaustrecke der Linie 21 über das Ostkreuz[3] vorliegt. Im Anschluss drohen Klagen von Anwohnenden, die den Baustart weiter verzögern könnten.
Auch wenn dann Baurecht vorliegt, werden die Bauarbeiten wesentlich länger als die vor einigen Jahren in Aussicht gestellten 18 Monate dauern. Denn es stehen zunächst umfangreiche Arbeiten an verschiedenen Leitungen an. Allein die Wasserbetriebe rechnen mit »etwa einem Jahr Vorlauf« und anschließend »mit etwa einem Jahr Bauzeit«, so deren Sprecher Stephan Natz zu »nd«. Fernwärme- und Gasrohre, Strom- und Datenkabel – zahlreiche weitere Betreiber werden rund ums Ostkreuz buddeln müssen, bevor Gleise gelegt werden können.
Die eigentlich überfällige Grundinstandsetzung der Strecke in der Ehrlichstraße dürfte auch noch auf sich warten lassen. Denn die BVG ist dazu verdonnert worden, sich ebenfalls um die Realisierung der lange geplanten Radwege[4] zu kümmern. Damit wird ein Planfeststellungsverfahren nötig. Bereits Anfang 2024 teilte die BVG mit, »dass derzeit noch kein belastbarer Zeitplan für die Baumaßnahme vorliegt«. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Sollte in der Ehrlichstraße vor Fertigstellung der Neubaustrecke Ostkreuz gebaut werden, könnte die Linie 21 für viele Fahrgäste eine ferne Erinnerung an bessere Zeiten werden.