Mario Vargas Llosa war einer der bekanntesten spanischsprachigen Schriftsteller[1], der »Spiegel« nannte ihn »den letzten König der politischen Literatur«. Am vergangenen Sonntag starb der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger im Alter von 89 Jahren in Lima. Für Montag rief die peruanische Regierung Staatstrauer aus. Die konservative Präsidentin Dina Boluarte würdigte »sein intellektuelles Genie«. Wie Vargas Llosa kam auch sie aus der Linken und wechselte zur Rechten. Der Schriftsteller, der als junger Mann Fidel Castro und Gabriel García Márquez[2] (über den er promovierte) verehrt hatte, predigte seit den 80er Jahren den Neoliberalismus von Margaret Thatcher. Er wollte auch einmal Präsident von Peru werden. 1990 galt er als Favorit, unterlag dann aber Alberto Fujimori[3], der noch marktradikaler war als Vargas Llosa.
Im Peru der 60er Jahre, das sich wirtschaftlich und gesellschaftlich modernisierte, war Vargas Llosa der literarische Gegenspieler von José María Arguedas und dessen Indigenismus, in dem die Figur des Mestizen das Sinnbild gesellschaftlicher Umbrüche darstellte. Varga Llosa strebte dagegen nach einer eigenen literarischen Sphäre, in der die Wirklichkeit nicht abgebildet, sondern neu zusammengesetzt werden sollte – mit kunstvoll verknüpften Handlungsebenen, wie beispielsweise in seinem zweiten Roman »Das Grüne Haus« (1966). Man könnte das eine Modernisierung der Literatur nennen, er selbst bezeichnete es als »novela total«, als »totalen Roman«. In den 70er Jahren wurde sein Stil leichter und konventioneller, doch auch in seinem von Hollywood verfilmten Welterfolg »Tante Julia und der Kunstschreiber« (1977) vermischen sich fiktionale und reale Erzählweisen auf ebenso zugängliche wie elegante Art.
In diesem Buch verliebt sich ein junger Mann, der Schriftsteller werden will, in seine 14 Jahre ältere Tante, die sich für alles andere als für Literatur interessiert. Es gilt als stark autobiografisch geprägtes Werk von Vargas Llosa, der selbst 1955 seine zehn Jahre ältere Tante zweiten Grades heiratete: Julia Urquidi Illanes, die allerdings Schriftstellerin war und ihre Version dieser Liebesgeschichte 1983 als Buch unter dem Titel »Lo que Varguitas no dijo« (Was der kleine Vargas nicht sagte) veröffentlichte. Nach der Scheidung heiratete Vargas Llosa 1965 seine 19-jährige Cousine Patricia, die er 2015 für Isabel Preysler, die Ex-Frau des spanischen Schlagerstars Julio Iglesias, verließ.
2010 bekam Vargas Llosa, der lange in Europa lebte, den Literaturnobelpreis, was Marcel Reich-Ranicki damals »gar nicht so dumm« fand. Doch als Bob Dylan 2016 als erster Popmusiker damit ausgezeichnet wurde, erschien das Vargas Llosa als frivol. »Bob Dylan ist ein guter Sänger, aber er ist längst kein großer Schriftsteller«, beschwerte er sich. Das sah er konservativ, der Verehrer von Adam Smith, Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Darüber verfasste er 2019 auch seine »intellektuelle Autobiografie« unter dem Titel »Der Ruf der Horde«. Die Horde sind natürlich die Doofen, frei nach Karl Popper, mit denen wollte Vargas Llosa nichts zu schaffen haben.