nd-aktuell.de / 16.04.2025 / Berlin / Seite 1

Kämpfen für die Lebenden

Frauenhäuser und Beratungsstellen legen die Arbeit nieder, um Femizid-Opfern zu gedenken

Leonie Hertig
Allein im Jahr 2025 wurden in Deutschland 22 Femizide begangen – einer davon in der vergangenen Woche in Spandau.
Allein im Jahr 2025 wurden in Deutschland 22 Femizide begangen – einer davon in der vergangenen Woche in Spandau.

Die Stimmung ist wütend, frustriert und voller Trauer. Nach dem mutmaßlichen Femizid an einer Frau durch ihren Partner versammelt sich am Mittwochmittag vor dem Rathaus Spandau eine Gruppe Mitarbeitender von Flinta*-Anti-Gewalt-Projekten, um zu trauern und gedenken. Es werden Grabkerzen entzündet und weiße Rosen neben symbolischen roten Schuhen niedergelegt.

Am vergangenen Donnerstag war eine 56-jährige Frau tot in ihrer Wohnung im Falkenhagener Feld aufgefunden worden, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Man gehe von einem Tötungsdelikt aus. Der 60-jährige Partner der Toten sei festgenommen worden.

Die Zahl häuslicher Gewaltvorfälle[1] und von Femiziden[2] nimmt zu – laut Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) gab es im vergangenen Jahr deutschlandweit 10 000 weitere Opfer von häuslicher Gewalt im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem sind mehrere Projekte für Gewaltschutz von Kürzungen[3] betroffen. »Bei uns sind viele frustriert. Forderungen, die seit Jahrzehnten gestellt werden, werden nicht umgesetzt«, sagt Nua Ursprung, Pressereferentin bei der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG e. V.), die sich gegen häusliche Gewalt einsetzt und ein Hilfetelefon in Berlin betreibt. Für 2025 sollte BIG die Förderung komplett gestrichen werden. »Das konnten wir abwenden. Aber wir wissen nicht, wie es danach weitergeht«, so Ursprung.

»Wie oft sollen wir vor den Rathäusern der jeweiligen Bezirke stehen, um Tote zu betrauern, die mit ausreichend Finanzierung noch am Leben hätten sein können?«, fragt eine Rednerin bei der Kundgebung. Die meisten Teilnehmer*innen möchten nicht mit ihrem Namen in der Zeitung genannt werden. Zu sehr sind sie durch ihre Arbeit gegen häusliche Gewalt um ihre eigene Sicherheit besorgt.

Die Forderungsliste ist lang. Dazu gehören das Beenden der Haushaltskürzungen sowie der Erhalt feministischer Projekte. Der Zustand, so eine Rednerin, sei nicht haltbar. »Gewalttätiges Verhalten ist erlernt. Es kann nicht sein, dass ein Drittel aller jungen Männer es okay findet, wenn ihnen bei einem Streit mit ihrer Partner*in die Hand ausrutscht.« Das hatte eine Umfrage 2024 gezeigt.

Daher fordert die Gruppe den Ausbau von Täterarbeitseinrichtungen und Präventionsarbeit an Schulen. Stattdessen seien diese mit Kürzungen konfrontiert. So solle laut Ursprung die komplette Förderung des Berliner Zentrums für Gewaltprävention Ende Juli entfallen. »Damit fallen Strukturen weg, die seit 25 Jahren existieren, die nicht zurückgebaut werden können, da Fachkräfte neue Stellen gefunden haben werden.« Ursprung kritisiert, dass der Senat stattdessen neue Ansätze und innovative Ideen fördern wolle. »Das braucht es nicht. Es braucht genügend Geld für bereits existierende Initiativen.«

Mitglieder des Vereins Hope, die sich für Betroffene von Missbrauch und Gewalt einsetzen, sagen, dass häusliche Gewalt nicht importiert sei: »Es spielt keine Rolle, woher man kommt, es geht durch alle Gesellschaftsschichten.« Viele Opfer landen durch Gewalterfahrungen in finanziell prekären Situationen, die es erschweren den Partner zu verlassen oder eine eigene Wohnung zu finden. BIG e.V. meldete, dass sie durch den Schutzplatzmangel in Berlin 10-15 Frauen pro Tag keinen Platz bieten können.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190516.haeusliche-gewalt-berlin-kurzer-atem-beim-schutz-vor-partnergewalt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188993.femizide-in-berlin-nicht-nur-bei-gewalt-schuetzen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189375.haeusliche-gewalt-kuerzung-bei-praeventionsarbeit-berlins-senat-eskaliert-die-gewalt.html