Zwischen den S-Bahn-Stationen Ostkreuz und Treptower Park brauchen Autofahrer*innen selbst während des zur Osterzeit ausgedünnten Ferienverkehrs Nerven. Mit nur zwei Autofahrspuren verbindet eine Behelfsbrücke die Spreeufer zwischen den beiden Stationen. Der Grund: Der Neubau der Elsenbrücke ist noch immer in vollem Gange. Die an die Brücke angrenzenden Bezirke Treptow-Köpenick und Friedrichshain-Kreuzberg befürchten ein noch schlimmeres Verkehrschaos, wenn im Sommer planmäßig der 16. Abschnitt der A100[1] eröffnet wird. Diese mündet in die Straße am Treptower Park etwas südlich der Elsenbrücke. Bis aber auf der Brücke die geplanten sechs Spuren zur Verfügung stehen, wird es nach Angaben der Senatsverkehrsverwaltung[2] noch dauern: bis Dezember 2025.
»Der Planfeststellungsbeschluss geht von einer sechsspurigen Elsenbrücke aus. Das ist aber aktuell nicht gegeben«, sagt Claudia Leistner (Grüne), Bezirksstadträtin für Verkehr im Bezirk Treptow-Köpenick. Zusammen mit ihrer Friedrichshain-Kreuzberger[3] Amts- und Parteikollegin Annika Gerold erläutert sie am Mittwoch vor Ort in Treptow die Probleme der vorherzusehenden Verkehrssituation[4]. Beide Bezirksverordnetenversammlungen fordern per Beschluss, den Autobahn-Abschnitt erst zu eröffnen, wenn die westliche Elsenbrücke fertig gebaut ist.
Es fehle nicht nur an einem Verkehrskonzept zur Entlastung der Elsenbrücke und der umliegenden Ausweichrouten für die Zeit, in der die Brücke nur zweispurig zur Verfügung steht – es fehle überhaupt ein ganzheitliches Verkehrskonzept für die Quartiere rund um die neue Anschlussstelle[5] am Treptower Park. »Die umliegenden Kieze müssen geschützt werden«, sagt Leistner. Ihr Bezirk Treptow-Köpenick plane eine Verkehrsberuhigung im Karl-Kunger-Kiez.
Annika Gerold befürchtet ebenfalls Schlimmes für den Südkiez in Friedrichshain. Der Knotenpunkt am nördlichen Ende der Brücke – Elsenstraße/Markgrafendamm/Stralauer Allee bis zur Modersohnstraße – habe nicht ausreichend Kapazitäten für das erhöhte Aufkommen, die ganze Umgebung werde durch mehr Autos belastet. Auch in der Schlesischen Straße werde sich die Situation voraussichtlich weiter zuspitzen. Die Straße kreuzt zunächst als Puschkinallee die Elsenstraße südlich der Brücke und führt dann parallel zur Spree durch Kreuzberg und bis zur nächstgelegenen Spreequerung, der Oberbaumbrücke. Zu den Hauptverkehrszeiten staut es sich dort jetzt schon regelmäßig.
»In Alt-Treptow und in Stralau sind die Anwohnenden auf Busse angewiesen«, sagt Gerold. Dort fahren weder U- noch S- oder Straßenbahnen. Gerade Anwohnende, die mit dem Bus über die Elsenbrücke müssen, würden so in ihrer Mobilität eingeschränkt, wenn dort der Bus aufgrund des drohenden Dauerstaus nicht vorankommt. »Es ist verantwortungslos, den A100-Abschnitt ohne Verkehrskonzept zu eröffnen«, sagt die Verkehrsstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg.
»Es ist verantwortungslos, den A100-Abschnitt ohne Verkehrskonzept zu eröffnen.«
Annika Gerold (Grüne)
Verkehrsstadträtin Friedrichshain-Kreuzberg
Die beiden Bezirke haben die Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlungen an die Senatsverkehrsverwaltung geschickt, das Schreiben liegt »nd« vor. Schon im März habe man sich demnach zusammen mit dem ebenfalls betroffenen Bezirk Neukölln an das Fernstraßen-Bundesamt, die Autobahn GmbH und an die Verkehrsverwaltung mit der Forderung gewandt, »die strikte Einhaltung der Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss zu beachten und den 16. Bauabschnitt nicht ohne volle Funktionsfähigkeit der Elsenbrücke in Betrieb zu nehmen«. Darauf habe man allerdings keine Antwort erhalten.
Die Verkehrsverwaltung gibt auf nd-Anfrage die Verantwortung für den Zeitpunkt der Eröffnung des A100-Abschnitts an die Autobahn GmbH ab. Man rechne allerdings nicht mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der Elsenbrücke durch die neue Autobahn-Anschlussstelle – auch weil dort aktuell nur zwei Fahrspuren zur Verfügung stehen, sagt Pressesprecher Michael Herden. Man werde aber, solange die Elsenbrücke nur eingeschränkt nutzbar ist, die Ampeln im Bereich der Elsenstraße so gestalten, dass nicht mehr Verkehr von der Autobahn dort ankommt, als vom »städtischen Netz« aufgenommen werden kann. »Dabei wird in Abstimmung mit der Autobahn GmbH des Bundes ein gewisser Rückstau auf der A100 in Kauf genommen.« Die Autobahn GmbH antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf eine kurzfristige nd-Anfrage.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190647.verkehr-a-in-berlin-nadeloehr-elsenbruecke.html