Frau Torres, hatten Sie schon immer den Traum, Astronautin zu werden?
Der Weltraum hat mich seit jeher fasziniert, ebenso wie die Luftfahrt. Schon mit fünf Jahren sagte ich, ich wolle Astronautin werden. Meine Eltern lachten nur und meinten: »Das schaffst du nie!« Später, als ich Pilotin werden wollte, hieß es: »Frauen können keine Piloten sein!« Also wurde ich zunächst Flugbegleiterin – bis ich mir parallel meine Pilotenlizenz erwarb. Heute kämpfe ich gegen Altersdiskriminierung[1]. Man sagt mir oft, ich sei »zu alt« für bestimmte Dinge. Aber solange Körper und Geist funktionieren, ist Erfahrung ein wertvolles Gut!
Sie sind analoge Astronautin. Wie wird man das?
Es gibt drei Wege in diesen Beruf: als Wissenschaftler*in, als Astronautenanwärter*in oder – wie in meinem Fall – als Pilot*in. Eigentlich habe ich Journalismus und Kommunikation studiert, aber ich habe zusätzliche Ausbildungen in Ingenieurwesen, Astrobiologie und Astrophysik absolviert. Außerdem habe ich mich intensiv mental und körperlich auf diese speziellen Missionen vorbereitet.
Was genau machen Sie auf analogen Missionen?
Bei analogen Missionen simulieren wir in speziell ausgewählten terrestrischen Umgebungen die extremen Bedingungen von Mond, Mars oder Raumstationen. Als Testumgebungen dienen sowohl natürliche Orte wie Vulkane und Wüsten als auch künstliche Habitate wie isolierte Bunker. Als Probanden sammeln wir wertvolle Daten über menschliches Verhalten und Technologie unter Weltraumbedingungen. Der Clou: Durch gezieltes Provozieren von Fehlern in sicherem Umfeld identifizieren wir Risiken, die echte Astronauten im All vermeiden sollen.
An welchen außergewöhnlichen Orten haben Sie gearbeitet?
Bisher war ich an vier Missionen beteiligt: Zwei fanden in Spanien statt, in einer unterirdischen Höhle bei Santander in Kantabrien an der Forschungsstation des privaten Raumfahrtunternehmens Astroland. Die anderen beiden führten mich nach Hawaii in eine Nasa-Einrichtung und letztes Jahr nach Polen zur LunAres-Forschungsstation, einem unterirdischen Bunker unter einem ehemaligen sowjetischen Militärflughafen.
Was beschäftigt Sie mental, wenn Sie in ein solches Habitat eintreten?
Das Wichtigste – und das Erste, was die Psychologen wertschätzen – ist das totale Eintauchen in die Erfahrung. Das heißt, ich konzentriere mich komplett darauf, als ob ich zum Mond oder Mars fliegen würde. Ich bereite mich vor allem darauf vor, dass es eine schwierige, strikte, extreme Erfahrung sein wird. Und dass meine persönlichen Bedürfnisse oder Ängste zweitrangig sind.
Nehmen Sie ein persönliches Objekt mit auf die Mission?
Wir dürfen nichts mitnehmen. Viele Dinge sind verboten, wie Kosmetikartikel oder eigene Kleidung. Alles wird von der Raumstation gestellt. Das ist kein Ort, um an die Figur oder banale Dinge zu denken. Aber vor vielen Jahren hat mir ein französischer Astronaut eine Schraube geschenkt, die in der Rakete Ariane mitgereist ist. Die ist mein Talisman. Für mich ist diese Schraube wie eine Verbindung zum Weltraum.
Wie fühlt sich so eine Reise ins »irdische All« an?
Es ist eine extrem intensive Erfahrung. Die Missionen dauern meist ein bis zwei Wochen, manchmal sogar Monate. Jede Minute ist durchgetaktet – Schlaf- und Essenszeiten sind streng limitiert. Abgesehen von der Schwerelosigkeit, die wir nicht simulieren können, leben wir exakt wie Astronauten: mit denselben Einschränkungen, Routinen, Notfallprozeduren und Protokollen. Wir tragen schwere Raumanzüge, die bis zu 20 Kilogramm wiegen können. Die Nahrung ist gefriergetrocknet und duschen können wir nicht – nur waschen mit Spezialtüchern. Das alles dient dazu, unsere Experimente möglichst realitätsnah zu gestalten.
Was gehört alles zu Ihrer persönlichen Vorbereitung auf die Simulationen?
In meinem Fall konnte ich auf meine Erfahrung als Pilotin zurückgreifen, da viele Raumfahrtprozeduren von der Luftfahrt abgeleitet sind. Zusätzlich spreche ich Russisch und Englisch, was in diesem Bereich essenziell ist. Ich habe einen Personal Trainer für Krafttraining. Sehr wichtig ist auch mein mentales Training in Sachen Selbstkontrolle, Resilienz, psychische Belastungsfähigkeit und Entspannung. Aber die beste Vorbereitung sind tatsächlich bereits absolvierte Missionen. Meine erste Mission 2022 in Spanien war ein Sprung ins kalte Wasser, aber man lernt unglaublich viel über sich selbst und seine Grenzen – die oft weiter sind, als man denkt.
Wie viele Personen arbeiten dort gemeinsam?
Normalerweise besteht eine Crew aus fünf bis acht Personen aus aller Welt mit unterschiedlichsten Hintergründen. Fast immer ist ein Arzt oder eine Ärztin dabei, der oder die die Gesundheit der Crew überwacht und im Notfall eingreifen kann.
Würden Sie tatsächlich ins All fliegen wollen?
Das wäre mein absoluter Traum! Selbst wenn ich wüsste, dass ich nicht zurückkehren würde – ich würde ohne zu zögern gehen. Aktuell gibt es nur zwei realistische Wege: Entweder man ist Milliardär und kann sich einen Flug bei Unternehmen wie Blue Origin[2] leisten oder man durchläuft das jahrelange Auswahlverfahren einer Raumfahrtagentur. Pablo Álvarez, der kürzlich als erster Spanier seit 30 Jahren von der Esa ausgewählt wurde, ist dafür ein großes Vorbild.
Was ist das Unangenehmste an den Missionen?
Das Fehlen richtiger Duschen ist sicherlich ein Punkt, ebenso wie das schwere Equipment, das körperlich extrem anstrengend ist. Der ständige Schlafmangel und die mentale Erschöpfung kommen hinzu. Aber ich weiß natürlich, worauf ich mich einlasse und nehme das in Kauf.
Wie fühlt sich die Rückkehr in die normale Welt an?
Es ist, als käme man aus einer Fruchtblase, aus einem geschützten Raum heraus. Einerseits bin ich traurig, diese Erfahrung zu beenden, andererseits erleichtert, wieder ein komfortables Leben zu führen. Ich brauche immer ein paar Tage, um wieder in den Alltag zurückzufinden und die Erfahrungen zu verarbeiten.
Das benachbarte Sevilla soll zu einem Hub für Raumfahrttechnologie werden. Was können Sie dazu beitragen?
Ich bin in Gesprächen mit der spanischen Raumfahrtbehörde. Sie möchte Wissenschaftler*innen dazu ermutigen, meine bevorstehende Mission bei der Mars Society[3] in Utah (USA) als Plattform für Forschungsprojekte zu nutzen. Ich sehe es als meine Aufgabe, diese vielversprechende Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und angewandter Raumfahrtforschung zu fördern.
Was würden Sie Menschen auf der Erde mitgeben wollen?
Mir sind drei Dinge besonders wichtig: Erstens sollten wir als Gesellschaft mehr Bewusstsein für die Bedeutung der bemannten Raumfahrt entwickeln und entsprechende Ressourcen bereitstellen. Zweitens möchte ich die Faszination für dieses Feld vermitteln – viele Menschen wissen gar nicht, was alles möglich ist. Und drittens liegt mir besonders am Herzen, Mädchen für MINT-Berufe zu begeistern. Wenn ich Schulen besuche, sehe ich, mit welcher Begeisterung und Offenheit die Mädchen dabei sind.
Welches sind Ihre nächsten Projekte?
Wenn alles klappt, geht es im Juli nach Brasilien zur »Alpha Centauri«-Mission im Habitat Marte, dem einzigen südamerikanischen Mars-Analog-Habitat. Und Ende 2025 oder Anfang 2026 steht eine Mission mit der Mars Society in der Wüste von Utah in den USA an. Mein großer Traum bleibt natürlich der Flug ins All – als professionelle Astronautin.