nd-aktuell.de / 18.04.2025 / Berlin / Seite 1

Ortsnamen in Brandenburg: Faschistische Schilderstürmer

Nur wenige der in Brandenburg in der Nazizeit geänderten slawischen Ortsnamen tragen wieder ihre alten Namen

Ralf Fischer
In der Lausitz sind Ortsschilder heute zweisprachig beschriftet – in deutscher und in sorbischer Sprache.
In der Lausitz sind Ortsschilder heute zweisprachig beschriftet – in deutscher und in sorbischer Sprache.

Das nach der spätantiken Völkerwanderung weitestgehend menschenleere Gebiet zwischen Elbe, Saale und Oder wurde ab dem sechsten Jahrhundert von unterschiedlichen slawischen Stämmen besiedelt. Es entstanden auf dem heutigen Gebiet des Landes Brandenburg[1] rund 3200 Städte, Dörfer, Burgen und andere Ansiedlungen, wovon knapp die Hälfte einen slawischen Namen trug. Die großen Gewässer behielten dagegen ihre Namen germanischen Ursprungs: Elbe, Oder[2] und Nuthe. Historiker gehen davon aus, dass die Überlieferung dieser Namen durch verbliebene germanische Siedler erfolgte.

Deutsch-slawische Mischnamen

Das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Sprachfamilien trug maßgeblich zur vielfältigen Namensgebung brandenburgischer Orte bei. Ortsnamen wie Buckow oder Seelow[3] entstammen der slawischen Sprache. Viele wendische Siedlungen wurden mit Namen mit der Endung -ow bezeichnet, die jedoch auch im germanischen Sprachraum eine Rolle spielte.

Mittelniederdeutsche Namen mit der Endung -aue wurden häufig auch mit -ow geschrieben. Dazu zählen zum Beispiel Glindow oder Reichenow. Die gemeinsame Siedlungsgeschichte in der Mark Brandenburg ab dem zwölften Jahrhundert brachte auch sprachliche Mischformen hervor. So zum Beispiel geht der Ortsname Teschendorf auf einen Mann zurück, der Teschek hieß, ein Name slawischen Ursprungs, kombiniert mit dem deutschen Wort Dorf.

Recht bald kamen weitere Einflüsse hinzu. Die Ansiedlungen im Rahmen der deutschen Ostexpansion erhielten zumeist Namen aus jenen Regionen, aus denen die Zuwanderer einst kamen. Der Ortsname Velten ist zurückzuführen auf eine Ansiedlung von Menschen aus dem Ostfälischen, genauer gesagt aus Veltheim am Fallstein im heutigen Sachsen-Anhalt. Der Ortsname Phöben, heute ein Ortsteil der Stadt Werder/Havel, geht auf Siedler zurück, die aus dem heutigen Norden Frankreichs einwanderten.

Die Jahrhunderte brachten Veränderungen mit sich, die sich auch häufig auf die Namensgebung vieler Orte auswirkte. Als Cottbus 1156 seine erste urkundliche Erwähnung fand, war die Schreibweise eine andere: Chotibus. Rosendorf in der Nähe von Senftenberg hieß bis 1540 Scheysendorf und die Gemeinde Wiesenau trug bis 1919 den klangvollen Namen Krebsjauche.

Neuhardenberg war einst bekannt unter dem Namen Quilitz. 1814 wurde der Ort umbenannt, weil der Fürst Karl-August von Hardenberg den Ort als Gut verliehen bekam. Viele Umbenennungen aus dieser Epoche gehen auf einen Wechsel des Besitzers zurück.

Doch eine richtige Welle von Umbenennungen gab es erst im 20. Jahrhundert. Die Nazis starteten den Versuch, slawische Ortsnamen aus dem geografischen Gedächtnis komplett auszulöschen. Anknüpfend an das in der deutschnational geprägten Wissenschaft bestehende Vorurteil, die Slawen seien kulturlos gewesen und hätten durch die Deutschen zivilisiert werden müssen, sollten in Brandenburg Tatsachen geschaffen werden. »Das Bild vom einfachen slawischen Leben und seiner anspruchslosen Kultur entwickelte sich dabei frühzeitig zu einer wirkmächtigen Prämisse der deutschen Forscher«, beschreibt Archäologe Felix Biermann im Brandenburgikon die Ursprünge einer ablehnenden Haltung gegenüber den Slawen.

Aus Lipsa wurde Lindenort

Die antislawischen Ressentiments erfuhren Biermann zufolge in der Nazizeit eine »starke Ausprägung«. 1937 befahl Emil Stürtz, Oberpräsident der Provinz Mark Brandenburg, alle wendischen Namen für Orte, Flüsse und Bäche sofort »durch rein deutsche Namen und Bezeichnungen« zu ersetzen. Während in den knapp 400 Jahren zuvor – von 1544 bis 1933 – insgesamt nur 25 Dörfer und Städte umbenannt worden waren, waren es von 1933 bis 1945 allein 41. Zum Beispiel wurde der Ort Lipsa in Lindenort umbenannt, Buckowin wurde zu Buchhain und aus Zschornegosta wurde Schwarzheide. Die Intensität der Namensänderungen lag dem Germanisten Reinhard Fischer zufolge »auch an der Beflissenheit« der jeweils Zuständigen. So sei es im Kreis Cottbus in jener Zeit zu keinen Namensänderungen gekommen. In anderen Kreisen dagegen wüteten die faschistischen Schilderstürmer dagegen besonders heftig.

Im damaligen Landkreis Teltow verschwand der Stadtname Nowawes durch eine Fusion mit der Villenkolonie Neubabelsberg.

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Sieben Namen, in denen die Bezeichnung Wendisch vorkam, wurden abgeändert. Im damaligen Landkreis Teltow verschwand der Stadtname Nowawes[4] durch eine Fusion mit der Villenkolonie Neubabelsberg. Zwölf Monate später erfolgte die Eingliederung als Ortsteil Babelsberg in die Stadt Potsdam. Aus dem Straßenangerdorf Gütergotz wurde Gütersfelde. Was einst Bylen hieß, wurde Waldseelendorf.

Gestoppt wurde dieses Unterfangen 1938 letztlich vom deutschen Militär. Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen durch die Nationalsozialisten hörte nach Angaben von Reinhard Fischer »die Umbenennung aus wehrpolitischen Gründen auf«. Es erwies sich als äußerst hinderlich, wenn die Ortsangaben auf den vorhandenen Landkarten ständig ihre Gültigkeit verloren.

Heute heißt es wieder Lipsa

Nach dem Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland bekamen nur acht der umbenannten Orte ihre alten Namen zurück: Byhleguhre, Bylen, Goyatz, Lipsa, Trebatsch, Zschorno und Wendisch-Rietz. Die anderen Städte und Orte behielten dagegen ihre neuen Namen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190636.gedenken-brandenburg-gedenken-ueber-kampf-und-katastrophe-in-klessin.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189772.ueber-wasser-ausflug-ueber-die-oder.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190650.gedenken-an-die-befreiung-dank-an-die-befreier-in-seelow.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182816.potsdam-von-den-nazis-verfolgt-im-roten-nowawes.html