nd-aktuell.de / 21.04.2025 / Politik / Seite 1

Ostermarsch in Belfast im Zeichen der Neutralität Irlands

Dubliner Parlamentarier wendet sich auf traditioneller Demo gegen Versuche, Beteiligung von Iren an Ukraine-Friedenstruppe zu ermöglichen

Dieter Reinisch, Belfast
Ein zentraler Anlaufpunkt des »republikanischen« Ostermarsches in Belfast ist der Milltown-Friedhof, auf dem Kämpfer für die irische Unabhängigkeit wie Bobby Sands beigesetzt sind, der 1981 im Alter von 27 Jahren an den Folgen eines Hungerstreiks im Gefängnis starb.
Ein zentraler Anlaufpunkt des »republikanischen« Ostermarsches in Belfast ist der Milltown-Friedhof, auf dem Kämpfer für die irische Unabhängigkeit wie Bobby Sands beigesetzt sind, der 1981 im Alter von 27 Jahren an den Folgen eines Hungerstreiks im Gefängnis starb.

Pearse Doherty nennt die Neutralität Irlands den zentralen Kern der Außenpolitik der republikanischen Partei Sinn Féin (SF). Der langjährige Abgeordnete des Parlaments in Dublin war in die nordirische Hauptstadt Belfast geladen worden, um am Sonntag auf dem größten republikanischen Ostermarsch zu sprechen.

Alljährlich gehen auf der ganzen Insel bei Ostermärschen Zehntausende auf die Straße, um an den irischen Aufstand gegen die britische Kolonialmacht und die Ausrufung der Republik zu Ostern 1916[1] zu erinnern. Am Friedhof Milltown im Westen Belfasts sind die Veranstaltungen ein Heimspiel für SF. Dort werden sie von der parteinahen National Graves Association organisiert, die in diesem Jahr den 90. Jahrestag ihrer Gründung beging.

An der Parade durch das republikanische Herz Belfasts nahmen Dutzende Kapellen und Veteranenverbände der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) sowie bekannte Politiker teil, unter ihnen der frühere SF-Präsident Gerry Adams und ehemalige politische Gefangene. Die irische Wiedervereinigung als Lösung gegen die Austeritätspolitik, die, so Doherty, »dieser Stadt von Westminster aufgezwungen wird«, stand dieses Jahr im Mittelpunkt der Märsche. Bis »Ende des Jahrzehnts« werde es eine Abstimmung über eine Wiedervereinigung geben, versprach er.

Doherty sitzt bereits seit 2010 für den Wahlkreis Donegal Südwest im Dubliner Abgeordnetenhaus Dáil Éireann. »Damals waren wir vier Parlamentarier«, sagt er. »Heute sind wir so stark wie nie zuvor in den letzten 100 Jahren.« Seit den Wahlen im Ende 2024 ist SF mit 38 Abgeordneten im Parlament vertreten und ist damit die größte Oppositionspartei. Zugleich stellt SF in Nordirland mit Michelle O’Neill die Regierungschefin.

»Neutralität bedeutet Frieden, Diplomatie und Eigenständigkeit.«

Pearse Doherty Sinn Féin, Abgeordneter des irischen Parlaments in Dublin

Während von London aus eine »Militarisierung« für einen Krieg an der Seite der EU vorbereitet werde, gebe es in der Republik Irland ähnliche Gefahren, denen sich Sinn Féin entgegenstellen werde, versprach Doherty. Denn: »Neutralität bedeutet Frieden, Diplomatie und Eigenständigkeit.«

Die irische Regierung plane in der kommenden Legislaturperiode eine weitere Aufweichung der Neutralität, warnte der Politiker. Als Beispiel nannte er die geplante Abschaffung des sogenannten Triplelock-Mechanismus. Dieser besagt, dass es für eine Entsendung von mehr als zwölf Soldaten zu Auslandseinsätzen ein UN-Mandat, eine Mehrheit innerhalb der Regierung und im Parlament geben müsse.

Kritiker betonen, dass durch diese Regelung die Entsendung irischer Soldaten im Rahmen der vom britischen Premier Keir Starmer vorgeschlagenen europäischen Friedenstruppe in die Ukraine verunmöglicht werde, da Russland im UN-Sicherheitsrat ein Veto dagegen einlegen werde.

Sinn Féin will den Mechanismus gerade deshalb beibehalten. Denn seine Abschaffung wäre auch ein Schritt weg von der Neutralität und hin zur Nato. »Wenn ihr in die Nato und die Neutralität abschaffen wollt, dann stellt es den Menschen zur Wahl«, sagte Doherty. Er fordert die irische Regierung auf, eine Volksabstimmung über die Neutralität anzusetzen, denn: »Dann werden sie ein klares Votum für die Neutralität bekommen.«

Eine neue Umfrage der »Irish Times« gibt SF recht: Laut Daten, die am Osterwochenende veröffentlicht wurden, wünschen nahezu zwei Drittel der Bevölkerung eine Beibehaltung der Neutralität, nur 29 Prozent wollen sie aufgeben. Interessant ist, dass der Anteil der Unterstützer der Neutralität bei den jüngsten Wählern und denen zwischen 35 und 49 Jahren mit 67 und 68 Prozent am höchsten ist. Dagegen will unter den über 65-Jährigen mit 36 Prozent der größte Anteil die Neutralität abschaffen.

Doherty betonte derweil auf dem Ostermarsch, seine Partei trete durchaus für eine Stärkung und Modernisierung des irischen Militärs ein. Dies solle aber der Sicherung der Landesverteidigung und einem stärkeren Engagement bei UN-Friedensmissionen dienen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181134.republikaner-nordirland-politische-krisen-ueberschatten-ostermaersche.html