nd-aktuell.de / 21.04.2025 / Berlin / Seite 1

Am grünen Strand der braunen Spree

Der Journalist Uwe Rada hat ein bemerkenswertes Buch über einen bedrohten Fluss und ein bedrohtes Land geschrieben

Andreas Fritsche
Abhängig vom Wasser der Spree – die Fließe im Spreewald.
Abhängig vom Wasser der Spree – die Fließe im Spreewald.

Uwe Rada hatte Angebote, einen klassischen Reiseführer über die Spree zu schreiben. Das hat der Journalist und Autor abgelehnt. Das habe ihn nicht gereizt. Angenommen hat er den Auftrag des KJM-Verlags, dem Fluss einen Band in der Reihe »Europäische Essays über Natur und Landschaft« zu widmen. Aber auch damit habe er sich dann schwergetan, erzählt er. Man merkt es dem Buch allerdings nicht an. Es liest sich ausgezeichnet, so wie auch der Band »Neuwald« über Aufforstungsprojekte, den Rada im vergangenen Jahr in derselben Reihe vorlegte.

Nun also wieder ein Buch über einen Fluss. Rada hat früher bereits Bücher über Elbe und Oder verfasst. Die seien ihm leicht von der Hand gegangen, berichtet er. Nicht so bei der Spree, dem »Industriefluss, der immerzu schuften, transportieren, versorgen, haushalten und dann in Berlin auch noch repräsentieren muss«. Liefern müsse die Spree und dann solle sie im Schweiße ihres Angesichts auch noch den Touristen zulächeln. Schönschreiben wolle er den Fluss nicht, sondern ihn mit seinen offenen Wunden zeigen.

Das gelingt Rada, der 1983 als 20-Jähriger zum Studium nach Berlin kam und Freunde besuchte, die in einer Kreuzberger Fabriketage am Ufer der Spree wohnten – gegenüber DDR-Grenzsoldaten auf Posten, denen die Bewohner einmal ihre nackten Hintern zeigten und dafür die ganze Nacht mit Scheinwerfern geblendet wurden.

Aus der westdeutschen Provinz gekommen, ist Rada mittlerweile drei Jahrzehnte lang Redakteur bei der Tageszeitung (»Taz«), und inzwischen hat er neben seinem Berliner Wohnsitz auch einen in der brandenburgischen Provinz – und dort nicht weit weg von der Spree.

Er kennt die Schwierigkeiten mit dem Eisenhydroxid, das aus Kippen der Tagebaue im Lausitzer Braunkohlerevier ausgespült wird und die Fließe im Spreewald braun färbte, bis das Wasser endlich wieder gereinigt wurde. Er weiß, dass sich die Spree zu einem großen Teil aus Grundwasser speist, das für die Tagebaue abgepumpt wird. Mit dem Kohleausstieg spätestens 2038 wird das hartnäckige Problem der Braunfärbung nicht sofort gelöst sein, da es eine Spätfolge von Tagebauen ist. Neu wäre dann das Problem, dass der Spreewald austrocknen könnte.

Der Kampf einer Bürgerinitiative für freien Zugang zum Ufer der Spree kommt im Buch vor und der Kampf einer anderen Bürgerinitiative gegen die Ausweisung von neuen Wildniszonen im Biosphärenreservat Spreewald[1], ferner das verbissene Ringen um ein Flussschwimmbad an der Berliner Museumsinsel.

Die im Essay zitierten Politiker Isabell Hiekel und Axel Vogel sind nicht mehr Landtagsabgeordnete und Umweltminister. Brandenburgs Grüne sind seit der Landtagswahl im September in der Bedeutungslosigkeit versunken. Für sie und für den Taz-Redakteur Uwe Rada kam das überraschend, gaben sie sich doch der Illusion hin, die Ökopartei sei in Brandenburg mittlerweile durch eine zugezogene Klientel so verwurzelt, dass es für das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde allemal reichen müsste.

In Berlin haben die Grünen ihre Hochburgen, da haben sie bei der Bundestagswahl im Februar wieder Wahlkreise gewonnen – und aus dem Fenster des ARD-Hauptstadtstudios ist im Fernsehen ein Zipfel von der Spree zu erkennen.

»Am grünen Strand der Spree« hieß ein 1955 erschienener Roman von Hans Scholz, der fürs Fernsehen verfilmt wurde. Scholz erlebte als Wehrmachtssoldat in der Sowjetunion die Erschießung von jüdischen Zivilisten mit und hat das in seinem Roman verarbeitet. Es erregte damals Aufsehen.

Aufsehen erregten 2023 zwei junge Lehrer der Grund- und Oberschule von Burg im Spreewald, die über rechtsextremistische Vorfälle an der Bildungsstätte aufklärten[2]. Danach wurden sie derart angefeindet und bedroht, dass sie den Ort verließen. Die Schule trägt ausgerechnet den Namen der sorbischen Lyrikerin Mina Witkojc, die 1933 von den Nazis Schreibverbot erhielt. In seinem im März herausgebrachten Buch berichtet Uwe Rada, bei der Landtagswahl im September habe die AfD in Burg 35,9 Prozent der Stimmen erhalten. Bei der Bundestagswahl im Februar war das Manuskript bereits in Druck. Die AfD erzielte in Burg 45,3 Prozent und anderswo sogar noch mehr.

Uwe Rada: Spree, KJM-Verlag, 141 Seiten, geb., 22 €.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190209.naturschutz-in-brandenburg-wildnis-unberuehrt-lassen.html?sstr=spreewald
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176413.rechtsextremismus-frau-lehrerin-sind-sie-ein-nazi.html