nd-aktuell.de / 23.04.2025 / Berlin / Seite 1

Charité-Tochter CFM: Anschreien, schikanieren, abmahnen

Angestellte bei Charité-Tochter CFM berichten von unhaltbaren Arbeitsbedingungen

Martin Höfig
Angestellte des Charité Facility Managements (CFM) demonstrieren für die Eingliederung in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvÖD).
Angestellte des Charité Facility Managements (CFM) demonstrieren für die Eingliederung in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvÖD).

»Heute ist kein Arbeitstag«, ruft ein Redner vor dem aufgestellten Streik-Pavillon im großen Innenhof des Virchow-Klinikums in Wedding ins Mikrofon. »Heute ist Streiktag«, antworten ihm die Umstehenden laut. Dann fällt zwischen den etwa 200 Menschen in ihren orangefarbenen Westen ein Mann in weißem Hemd und blauem Business-Jackett auf. Es ist der Geschäftsführer des Charité Facility Managements (CFM), Simon Batt-Nauerz, der »Volksnähe« zeigen will. Angefeindet wird Batt-Nauerz zumindest nicht offen. Wenn so einer auftaucht, bedeutet das ja auch irgendwie, wahrgenommen zu werden – oder man hat einfach Angst, seinen Job zu verlieren.

Seit Beginn der Woche sind hunderte Angestellte der Charite-Tochter CFM in den Warnstreik getreten. Sie übernehmen alle nicht-medizinischen und nichtpflegerischen Dienstleistungen in Berlins größtem Krankenhauskonzern. Dazu gehören Aufgaben in der Reinigung, in der Medizintechnik oder in der Verpflegung. Die Ausgliederung erlaubt der Charité, die CFM-Beschäftigten deutlich schlechter als ihre beim Mutterkonzern angestellten Kollegen zu bezahlen[1]. Kernforderung der bei Verdi organisierten Streikenden ist daher, dass die CFM-Beschäftigten nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD) bezahlt werden.

Nach ein paar Minuten ist die Sichtbarkeitsshow des Geschäftsführers schon wieder vorbei. Vorher gibt er gegenüber »nd« noch zu Protokoll: »Die Forderungen der Beschäftigten sind unrealistisch hoch. Wenn wir nach TvÖD bezahlen würden, wäre die Existenz unseres Unternehmens gefährdet.« Man habe Verdi mehrere Angebote gemacht, doch die Gewerkschaft stelle sich quer und lehne alles unter ihrer Forderung ab.

Agnieszka Jastrzebska lacht bitter auf. »Die einzigen Angebote der Geschäftsführung bisher waren Benefits wie das Deutschlandticket, flexible Arbeitszeiten und eine Meditations-App«, berichtet sie. Jastrzebska arbeitet in der Küche und ist Mitglied der Tarifkommission. Auch die Möglichkeit von Home-Office-Zeiten sei ihnen angeboten worden, ergänzt ihre Kollegin und Mitstreiterin Iris Gerlicher. Das sei als Küchen- oder Reinigungskraft besonders sinnvoll, merkt sie sarkastisch an.

Gerlicher macht eine Rechnung auf. »Die können eine halbe Million Euro für den Da-Vinci-Operationsroboter ausgeben, aber uns nicht angemessen entlohnen«, sagt sie. »Und überhaupt wird ja immer alles teurer, warum also sollen wir Beschäftigten nach all den Jahren nicht auch teurer geworden sein?«

Was zum Beispiel flexible Arbeitszeiten für die Angestellten bei der Charité-Tochter CFM jetzt schon bedeuten, erzählen zwei dort angestellte Reinigungskräfte[2]. »Ich muss in der Frühschicht alleine 16 Zimmer reinigen. Dafür waren vor ein paar Jahren noch vier Putzkräfte und zuletzt noch zwei angestellt, jetzt ist das die Arbeit von einer einzigen«, berichtet Paula. Dazu habe sie auch noch die sterilen Räume extra zu desinfizieren und müsse nebenher auch noch das Telefon bedienen, wenn Patient*innen entlassen werden. »In der Spätschicht müssen wir sogar 36 Zimmer allein saubermachen«, fährt sie fort. Das sind drei Stationen, wofür es früher auch jeweils eine zuständige Putzkraft gab. Es ist also die Arbeit von drei Menschen. »Ich bin so kaputt nach der Arbeit, dass ich auf dem Heimweg schon in der S-Bahn eingeschlafen und erst an der Endstation in Spandau wieder aufgewacht bin«, erzählt Paula*.

Elena, ebenfalls Reinigungskraft, erzählt, dass ihr die CFM-Leitung verboten habe, eine Woche freizunehmen, um ihre kranke Mutter in Österreich zu besuchen. »Ich habe darauf gedrängt, dass ich aus notwendigen privaten Gründen freinehmen muss, doch sie hatten keinerlei Verständnis«, sagt sie bitter. Statt Verständnis werde man hier von den Vorgesetzten »nur angeschrien, schikaniert und abgemahnt. Sie behandeln uns wie den letzten Dreck«, schimpft Elena.

Die Serbokroatin kommt wie die meisten CFM-Angestellten ursprünglich aus Südosteuropa. Und so wird auch hier an der Charité klar, dass das privatisierte Gesundheitssystem des viertreichsten Landes der Erde so wenig wie möglich kosten soll. Aufgeben wollen die CFM-Angestellten offenbar nicht: Es läuft laute türkische Musik im Innenhof des Virchow-Krankenhauses und die Streikenden tanzen einen Halay, den traditionellen türkisch-kurdischen Volkstanz, bei dem man sich nebeneinander an den Händen fasst. »Haydi!«, ruft eine der tanzenden Streikenden immer wieder aufmunternd.

*Namen von der Redaktion geändert

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190495.arbeitsrecht-berlin-tarifkonflikt-an-der-charite-eskaliert.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181714.outsourcing-charite-facility-management-ein-hauch-von-inflationsausgleich.html