Es sind keine anderthalb Stunden, die ein Flugzeug braucht, um von der quirligen Hauptstadt Manila nach Palawan zu fliegen. Wer beim Landeanflug in Puerto Princesa einen Blick aus dem Fenster wirft, dem entgeht nicht die üppige Vegetation der langgestreckten Insel. Puerto Princesa zieht sich als urbaner Siedlungsstreifen im Halbrund um eine Bucht und ist die einzige größere Stadt. Sonst hat die Insel mit ihren rund einer Million Einwohnern eher kleinere Ortschaften in Küstennähe, die sich meistens in der Nähe von traumhaften Stränden entwickelt haben.
Rund 450 Kilometer misst die größte Inselprovinz der Philippinen in der Länge, deren südwestliche Spitze nicht weit von der malaysischen Küste entfernt ist. Insbesondere das Bergland im Inneren der Insel ist noch weitgehend unberührt. Bislang zumindest. Das ändert sich aber gerade. Denn Bergbaufirmen bedrohen das Naturparadies und damit auch die Lebenswelt der indigenen Gemeinschaften. Vor allem die 40 000 Palaw’an im südlichen Teil der Insel leiden zusehends unter dem Bergbau-Boom.
»Seit Langem gibt es schon Tropenholzeinschlag, der die Waldgebiete gefährdet«, erklärt Baby Grace E. Calago von der Koalition gegen Landgrabbing (Calg). In ihrem Büro etwas abseits vom Stadtzentrum Puerto Princesas koordiniert sie die Unterstützung der indigenen Bevölkerung, die in den Entwicklungsplänen für die Insel meistens gar nicht vorkommen und kaum nach ihrer Meinung oder gar ihrem Einverständnis gefragt werden. Die sich ausweitenden Bergbauaktivitäten seien schon seit 20 Jahren ein Problem, erzählt sie. »Doch neuerdings spitzt sich die Situation zu.«
Die Organisation »Survival International« verweist darauf, dass der Bau der umfassenden Küstenstraße zur Jahrtausendwende eine fragwürdige Initialzündung gewesen sei, um neue Siedler auf die Insel zu holen und speziell dem Bergbau auf Palawan nochmals zu einem Schub verhelfen.
Drei größere Unternehmen sind bislang auf der Insel aktiv. Wo sie fördern, entstehen Tagebau-Wüsten im Dschungel. »Es laufen jetzt aber Anträge für weitere Vorerkundungen«, berichtet Calago. Die Förderung soll auf der Insel massiv ausgeweitet werden. Während die »Ipilan Nickel Corporation« (INC) schon eine Mine im Bereich Brooke’s Point im Süden der Insel betreibt, wollen die Konkurrenten »Macro Asia Mining Corporation« (MMC) und »Lebach Mining Corporation« auch bald mit dem Abbau beginnen. In dem Mineralienmix, der auf Palawan gefördert wird, sind auch Gold und andere Metalle enthalten. »Aber ganz vordringlich«, betont die Calb-Mitarbeiterin, gehe es um das Nickel, das beispielsweise für die Herstellung von Elektroautos benötigt wird[1].
»Indigene Gemeinschaften und ländliche Communitys zahlen einen hohen Preis für das weltweite Gerangel um Mineralien, die bei der Energiewende eine Rolle spielen«, konstatierte Veronica Cabe, Vorsitzende der philippinischen Sektion von Amnesty International[2], kürzlich. Die Menschenrechtsorganisation hat eine Untersuchung zu den Bedrohungen durch den Nickelabbau auf Palawan sowie in der Provinz Zambales auf der Insel Luzon durchgeführt, deren Ergebnis Anfang Januar veröffentlicht wurde.
Die Studie bemängelt, dass lokale Gemeinschaften bei den weitreichenden Plänen übergangen werden. Calago kann dem nur zustimmen. »Klar, es gibt zwar das Gesetz, dass die Betroffenen angehört werden müssen. Aber selbst die ›Nationale Kommission für indigene Gemeinschaften‹, die eigentlich eine staatliche Interessenvertretung für sie sein sollte, wird ihrer Aufgabe nicht gerecht«, sagt Calago. »Wir haben ja auf den Philippinen generell ein Korruptionsproblem, und auch die Leute dort bekommen Geld zugesteckt.«
Die Palaw’an im Gebiet Brooke’s Point im Süden der Insel werden durchaus in die Planungen einbezogen »Es gibt einige Befragungen«, erläutert Calago. »Aber das ist eher eine Formalie und bietet Möglichkeiten zur Manipulation. Viele Indigene können gar nicht überblicken, was da alles an potenziellen Problemen über sie hereinbricht.« Die Kommission spiele eine fragwürdige Rolle, meint sie. »Die steht eher auf der Seite der Bergbaufirmen. Ich erinnere mich noch gut an den jüngsten Fall einer solchen Zusammenkunft, als bewusst nur diejenigen eingeladen waren, die ohnehin für das Projekt sind.«
Calago versucht mit der Organisation Calg, Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Palaw’an sind eine recht isoliert lebende Gemeinschaft, die von der Jagd und vom Wanderfeldbau, meist Süßkartoffeln und Kassawa, lebt. »Ihr Kontakt zur Außenwelt beschränkt sich in der Regel auf die umliegenden Ortschaften«, erzählt sie. Technische Geräte wie ein Handy und selbst ein Radio seien den meisten Palaw’an fremd. »Wir wollen sie nicht modernisieren, aber sie ermächtigen, für ihre eigenen Belange einstehen zu können«, erklärt sie. Dafür biete Calg unter anderem Jugendcamps an. Für die jüngeren Palaw’an sei es oft ein Erlebnis, aus ihrer sonst begrenzten Lebenswelt herauszukommen, erzählt Calago. Ihre Organisation versuche, ein Problembewusstsein für die Bergbaupläne zu entwickeln. »Die Palaw’an sind generell sehr friedlich und eher zurückhaltend. Das nutzen die Bergbaufirmen schamlos aus.« Ebenso die Tatsache, dass die meisten Indigenen nie eine Schule besucht haben, damit nicht einmal lesen und schreiben können, weiß Calago. »Manchmal setzen sie ihren Fingerabdruck unter irgendein Dokument, das sie gar nicht verstehen.«
Als Meilenstein gilt ein Gerichtsurteil des Supreme Court vom September 2023. Der Oberste Gerichtshof der Philippinen hatte nach einer Klage von Palaw’an-Vertretern der Gemeinschaft von Brooke’s Point die Rechte der Indigenen deutlich gestärkt. Die für 25 Jahre laufende Lizenz für »Celestial Nickel Mining« und »Exploration Corporation« sowie INC als Betreiber der Mine sei ohne ausreichende Umweltprüfung der zuständigen Behörden erteilt worden, hieß es in dem Urteil. Der Erzabbau, so die Richter, stelle eine Gefahr für die Natur im Schutzgebiet rund um den Mount Mantaling dar. Allerdings wurde den Firmen die Fördergenehmigung nicht richterlich entzogen.
Calago zeigt ein Video von einer Protestaktion der Indigenen. Die Zufahrtsstraße zur Mine ist in der Aufzeichnung mit Bambusstöcken abgesperrt. Ein Transparent ist zu sehen, das einen vorläufigen Stopp der Förderung verlangt, wie es die Behörden eigentlich auch angeordnet haben. »Im August 2023 war diese Verfügung ergangen und der Firma zugestellt worden. Gefördert wird dort aber bis heute, als wenn es solche Verbote nie gegeben hätte.« Die Unternehmen setzten sich schlicht über geltendes Recht hinweg.
Dass die Auseinandersetzung mit den Bergbauunternehmen nicht auf Augenhöhe erfolgt, steht für Calago außer Frage: »Da ist sehr viel Geld im Spiel – Geld, das wir als kleine zivilgesellschaftliche Organisation nicht haben.« Sie kritisiert, dass die Regierung unter Präsident Ferdinand Marcos Jr.[3] sich mit den Profitinteressen einiger weniger gemein mache. Es gebe außerdem Repression und Einschüchterung. »Aber wir haben unsere Netzwerke«, sagt sie. Die seien wichtig, um die Betroffenen zu unterstützen. Sie verweist auf den etwas größeren Verbund Save Palawan Movement und ähnliche Zusammenschlüsse. »Der Kampf gegen den Bergbau war nie leicht, aber in jüngerer Zeit ist es noch schwerer geworden.« Aufgeben werde man allerdings nicht. Für die Palaw’an und die ganze Insel stehe schlicht zu viel auf dem Spiel.
Das Ringen geht also weiter: Wenige Tage nach dem Gespräch berichtet »Palawan News« von der jüngsten Sitzung der Kommission, die sich mit dem Moratorium für die Minengesellschaften befasst. Die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen »Environmental Legal Assistance Center« (Elac) und der regionalen Behörde »Palawan Council for Sustainable Development« (PCSD) machten bei der Anhörung massive Bedenken deutlich, Konzessionen für 25 Jahre auszugeben.
Für eine fundierte Risikobewertung, in welchem Umfang der Bergbau ausgebaut werden könne, brauche es mehr wissenschaftliche Daten, erklärten sie. Die stünden bislang aber nicht zur Verfügung. Sowohl der Behörde PCSD als auch den zivilgesellschaftlichen Organisationen fehle das Geld für solche Studien, erklärten deren Anwälte. Die Kommissionsmitglieder ließen sich von diesen nachdrücklichen Einwänden allerdings nicht überzeugen. Sie wollen die Förderung nach wie vor ausweiten.
»Indigene Gemeinschaften und ländliche Communitys zahlen einen hohen Preis für das weltweite Gerangel um Mineralien, die bei der Energiewende eine Rolle spielen.«
Veronica Cabe Amnesty International
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190786.bergbau-auf-den-philippinen-der-dschungel-verwuestet.html