»Bauen, bauen, bauen«: Mit dieser Parole wollen SPD und CDU in Berlin der Wohnungskrise begegnen. Doch tatsächlich entstehen dadurch oft hochpreisige Lofts und Büroräume, nicht aber Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Vielmehr verschwindet dadurch günstiger Wohnraum. Das zeigt die Ausstellung »Die Abrissfrage«, die noch bis zum 8. Mai im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) in Kreuzberg zu sehen ist.
Die Ausstellung ist in einem akademischen Kontext einstanden und zeigt vom Abriss bedrohte oder schon verschwundene Gebäude in Berlin, Kassel, München und dem Land in Brandenburg. »Basierend auf der Arbeit mehrerer Hochschulen werden Abrissgeschichten erzählt und die ökologischen, politischen, sozioökonomischen und baukulturellen Folgen einer in der fossilen Moderne verankerten Praxis analysiert«, heißt es im Einleitungstext.
Die Exposition zeigt sehr anschaulich und gut verständlich, wie durch den Abriss günstiger Wohnraum vernichtet wird. Ein gutes Beispiel ist die Dortmunder Straße 14 im Berliner Ortsteil Moabit. Dort wurden vor drei Jahren 16 Wohnungen mit Mieten unter 300 Euro abgerissen. Mittlerweile ist auf dem Areal das Nobelprojekt »The Flaneur« mit 19 hochpreisigen Eigentumswohnungen entstanden.
Gegen den Abriss ihres Zuhauses wehren sich viele Bewohner*innen – auch das beleuchtet die Ausstellung. Dieser Widerstand bleibt oft ohne Erfolg. So auch bei einem Wohnkomplex an der Straße der Pariser Kommune in unmittelbarer Nachbarschaft zur nd-Redaktion in Friedrichshain. Dort wohnten bis 2022 Roma-Familien aus Osteuropa. Sie wehrten sich dagegen, dass die Community auseinandergerissen wird. Schließlich mussten sie das Gebäude doch verlassen. Nun ist das Haus abgerissen, ein Neubau wird hochgezogen. Für die alten Bewohner*innen wird dort kein Platz mehr sein. In der Ausstellung erfahren wir, dass einige von ihnen heute in Notunterkünften leben, weil sie die versprochenen Ersatzwohnungen nie erhalten haben.
Wir erfahren aber in der Ausstellung auch von Bewohner*innen, die durch ihren Protest den Abriss ihrer Häuser verhindert oder zumindest verzögert haben. Dazu gehören die bunten Gebäude der Habersaathstraße 40–48[1] im Ortsteil Mitte. Der Eigentümer will die Häuser abreißen lassen, weil sie nicht genügend Profit abwerfen. Dagegen wehren sich die verbliebenen Altmieter*innen. In die schon entmieteten Wohnungen sind mit Unterstützung von sozialen Organisationen ehemals obdachlose Menschen eingezogen. Mittlerweile wurden im Rahmen von Räumungsprozessen um die Habersaathstraße Urteile gefällt, in denen klargestellt wird, dass höhere Renditen nicht die Vernichtung gut erhaltenen Wohnraums rechtfertigen.
»Wir haben das Bündnis gegen Abriss gegründet, um die große Zahl bedrohter Gebäude und Bewohner*innen in ganz Berlin deutlich zu machen und den Austausch untereinander zu ermöglichen.«
Aktivist des Berliner Anti-Abriss-Bündnisses
Auch den Bewohner*innen verschiedener Häuser rund um den Berliner Hafenplatz in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz gelang es durch ihren Protest im vergangenen Jahr, den Abriss ihrer Häuser bis dato zu verhindern. Doch die Mieter*innen beklagen auch, dass die Eigentümer*innen in den Häusern keine Reparaturen mehr durchführen lassen und so das Wohnen immer unattraktiver machen wollen. Das ist eine bekannte Methode von Eigentümern, die aus Profitgründen Häuser abreißen lassen wollen.
Die Ausstellung macht auf aktuelle aktivistische Anti-Abriss-Projekte aufmerksam und erklärt die Abrissfrage zu einem wichtigen Bestandteil des Kampfes um bezahlbaren Wohnraum. So wird über Initiativen von Abrissgegner*innen in verschiedenen Städten wie die Anti-Abriss-Allianz und den Abrissatlas informiert.
Mittlerweile hat sich auch in Berlin ein Bündnis gegen Abriss gegründet, das mit Mieter*innenorganisationen kooperiert. »Wir haben das Bündnis gegen Abriss gegründet, um die große Zahl bedrohter Gebäude und Bewohner*innen in ganz Berlin deutlich zu machen und den Austausch untereinander zu ermöglichen. Wir wollen so die einzelnen lokalen Kämpfe um den Erhalt der Häuser stärken sowie eine generelle Kritik an der gegenwärtigen Praxis von Abriss und anschließendem Neubau üben«, sagt ein Aktivist des Anti-Abriss-Bündnisses. Dafür liefert die Ausstellung gute Argumente.
Die Ausstellung »Die Abrissfrage« kann noch bis zum 8. Mai im Deutschen Architekturzentrum im Wilhelmine-Gemberg-Weg 6 (2. Hof, Eingang H1) mittwochs bis sonntags von 15 bis 20 Uhr besichtigt werden. Der Besuch ist kostenlos.
Weitere Informationen unter:
www.daz.de/de/abrissfrage-renovation[2]