Mich treiben aktuell drei Dinge um: der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, der politische Rechtsruck und die sogenannte Zeitenwende, also die Aufrüstungspolitik.
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist eine Reallohnsenkung. Ich bin unter anderem zuständig für Krankenhäuser. Statt die Benachteiligung von Krankenhausbeschäftigten im öffentlichen Dienst zu korrigieren, bleibt die schlechtere Stellung des Pflegebereichs bestehen und wird weiter verschärft. Das provoziert in unseren Betrieben in Nürnberg natürlich sehr große Ablehnung. Problematisch finde ich auch die Übernahme des Verfassungstreue-Paragrafen, der in Bayern besonders schwer wiegt. Was wir in dieser Tarifrunde gesehen haben, war ein Frontalangriff der Arbeitgeber. Und der Gewerkschaft ist es nicht gelungen, diesen Angriff abzuwehren. Das verstehen die Kolleg*innen sehr genau.
Die Aggressivität der Arbeitgeberseite bei der Tarifrunde ist natürlich auch Ausdruck des Rechtsrucks im Land – die Zusammensetzung der Landes- und Kommunalregierungen spiegelt sich ja in der Verhandlungskommission. In dieser Hinsicht richtet sich der Rechtsruck jetzt nicht nur gegen migrantische Menschen, sondern gegen die Beschäftigten allgemein. Der Rechtsruck wird dadurch aber noch weiter befördert. Denn eine Politik, die die wirtschaftliche Unzufriedenheit verstärkt, nutzt der AfD. Verschärft wird die Lage auch dadurch, dass die Gewerkschaften bei antirassistischer Politik schlecht aufgestellt sind. Zum Beispiel gibt es keine effektive Praxis, um Abschiebungen von Menschen aus Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Das ist eine echte Leerstelle.
Als drittes großes Problem sehen viele gewerkschaftlich Aktive die Aufrüstungspolitik. Vielen Kolleg*innen ist klar, was die in der Praxis bedeutet: Ohne Kürzungen im Sozialbereich werden die Militärausgaben nicht zu finanzieren sein. Aber genau über diesen Zusammenhang wird in den Gewerkschaften zu wenig gesprochen. Die Bereitschaft, Abrüstungsforderungen nach vorn zu stellen, ist unter den Kolleg*innen größer als es die offiziellen Stellungnahmen vermuten lassen.
In dem Zusammenhang bereitet mir auch das Schweigen der Gewerkschaftsführung zu Gaza und den Waffenlieferungen nach Israel große Sorge. Den Konflikt spüren wir in den Betrieben. Auf einer Streikkundgebung war ein Kollege mit einem T-Shirt der israelischen Armee, der sofort aufgefordert wurde zu gehen, das aber verweigert hat. Und natürlich waren auch Kolleg*innen dort, die meinten: »Diese Armee ermordet gerade unsere Angehörigen.« Die Gewerkschaften müssen dazu eine Position entwickeln: Nein zu Aufrüstung und keine Waffenexporte in Kriegsgebiete und an Krieg führende Staaten! Aber eine faktenbasierte Debatte und ein Blick auf die Aktivitäten internationaler Gewerkschaften zu diesem Thema findet bisher nur sehr vereinzelt statt.
Joana Terborg (Verdi) ist Gewerkschaftssekretärin in Nürnberg.