Deutsche Bundesländer setzen auf den Ausbau der Rüstungsindustrie, um das Schrumpfen ihrer Wirtschaft zu verhindern, berichtete kürzlich das Internet-Medium »Informationen zur Deutschen Außenpolitik« (german-foreign-policy.com). Wir veröffentlichen im Folgenden Auszüge des Beitrags, der am 21. April erschienen ist:
Aktuelle Zahlen zur ökonomischen Entwicklung in Deutschland geben der Hinwendung zur Rüstungsindustrie neuen Auftrieb. Einer Berechnung des Münchner ifo-Instituts zufolge verzeichneten im vierten Quartal 2024 lediglich fünf der 16 Bundesländer ein – wenngleich recht mäßiges – Wirtschaftswachstum. Bei dreien von ihnen – Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein – habe dabei »der Aufschwung in der Rüstungsindustrie ... eine zentrale Rolle« gespielt, schreibt das ifo-Institut, das im Hinblick auf die erwarteten Milliardeninvestitionen in die Bundeswehr schon davon spricht, die norddeutsche Industrie »entkoppel[e]« sich dank etwa der Marinewerften an der Küste und weiterer Waffenschmieden »von der gesamtdeutschen Entwicklung«. Ihr Wachstum kontrastiert dabei mit einem Abschwung in Bundesländern, in denen etwa die Kfz-Industrie traditionell stark ist (Baden-Württemberg, Bayern) oder energieintensive Branchen, so etwa Teile der Chemieindustrie, eine bedeutende Stellung innehaben (Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen). Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte in der vergangenen Woche, seine Regierung wolle weiterhin auf die Rüstungsbranche setzen: »Man muss schauen, dass man für seine Wirtschaftsstruktur das tun kann, was möglich ist.[1]«
Mittlerweile haben die Regierungen weiterer Bundesländer angekündigt, sich verstärkt um die Förderung von Rüstungsunternehmen zu bemühen. Anfang März hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) erklärt, man wolle beim Ausbau der Rüstungsindustrie in ganz Europa »mitmischen[2]«; die Branche müsse in Baden-Württemberg zu einem neuen industriellen Schwerpunkt werden. Auch das Saarland setzt inzwischen auf Waffenschmieden. Der dortige Landtag nahm in der vergangenen Woche eine von der SPD eingebrachte Resolution an[3], laut der das Bundesland für die Rüstungsindustrie attraktiver werden solle. Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) habe schon Einladungen an führende Unternehmen der Branche verschickt, hieß es; Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) bereite einen »Rüstungsgipfel« vor. Die AfD-Fraktion fordere ein entschlossenes »Klinkenputzen« in der Branche.
Unklar ist, ob die deutsche Industrie das angestrebte rasante Rüstungswachstum tatsächlich stemmen kann. Ursache ist zum einen, dass die nötigen industriellen Kapazitäten nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind. Rüstungsunternehmen haben begonnen, ihre Fabriken auszubauen und neue Werke zu errichten; Rheinmetall-Chef Armin Papperger etwa berichtete kürzlich: »Wir haben in Europa zehn Werke, die wir derzeit verdoppeln oder komplett neu bauen«. Dieser Ausbau lässt sich allerdings nicht beliebig beschleunigen. Spezialisten äußern, die deutsche Industrie sei fähig, einen »Aufwuchs der Rüstungsausgaben ... im mittleren einstelligen Milliardenbereich« alleine »mit organischem Wachstum« zu stemmen[4]. »Ginge der Aufwuchs deutlich darüber hinaus« – und darauf zielt Berlin –, »müssten Kapazitäten aus anderen rüstungsnahen Industrien verschoben werden«.
Dies hat bereits begonnen. So hat der deutsch-französische Panzerbauer KNDS angekündigt, ein Eisenbahnwerk des französischen Konzerns Alstom in Görlitz zu übernehmen. Rheinmetall zieht einen Erwerb des Volkswagen-Werks in Osnabrück in Betracht. Rheinmetall hat zudem mitgeteilt, seine Standorte in Neuss und Berlin, an denen bislang Kfz-Teile zur zivilen Nutzung hergestellt werden, künftig für die Produktion von Kriegsgerät zu nutzen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190805.kriegswirtschaft-aufruesten-fuers-wachstum.html